FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2008

 




Inga Freunscht

„Ab 18 fällt man durch das Raster“

Emotionale, soziale und berufliche
Entwicklung junger Erwachsener
mit Fetalem Alkoholsyndrom

Diplomarbeit am Fachbereich Psychologie
der Wilhelms-Universität
Münster, 2007

 


Inga Freunscht ist Diplom Psychologin und Mitarbeiterin an der FAS Ambulanz der Kinderklinik Münster. Die vorliegende Arbeit ist ihre Diplomarbeit, in der Lebensbedingungen und Lebensbereiche von 61 erwachsenen Patienten mit fetalem Alkoholsyndrom untersucht wurden.

Im theoretischen Hauptteil der Arbeit liefert Freunscht einen guten Überblick über nationale und internationale Literatur und referiert die wichtigsten bereits vorliegenden Forschungsergebnisse. Nach wie vor gibt es keine einheitlichen Diagnosekriterien, aber eine Fülle von immer wieder auftretenden Besonderheiten in der körperlichen und geistigen Entwicklung sowie typische Probleme in Verhalten und Erleben von Kindern mit FAS-Syndrom. Freunscht warnt vor einer Überbewertung der Testpsychologie: „Testpsychologische Ergebnisse in Bezug auf die Intelligenz sowie auf Teilleistungsschwächen sind aufgrund der häufigen Konzentrations- und Aufmerksamkeitsschwächen schwer zu interpretieren, .... Logisches Denken und Problemlösen fällt Kindern mit Alkoholschädigung meist schwer.“ (S. 14) Die Autorin  reklamiert, dass es bisher nur wenige Studien gibt, „...die sich mit den Folgen der Alkoholschädigung im Erwachsenenalter beschäftigen.“ (S. 30)    

Aus diesem Grund sollen im Folgenden die wichtigsten Resultate der vorliegenden Untersuchung mitgeteilt werden: Es handelt sich um eine Explorationsstudie aus der Gesamtgruppe der Patienten (n=92), für die am Universitätsklinikum Münster die Diagnose „Alkoholschädigung“ (durch Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft) erstellt wurde (S. 43). 34 junge Männer und 27 Frauen im mittleren Alter von ca. 24 Jahren (Streuung von 18 bis 39 Jahre) und deren Angehörige konnten interviewt werden (S. 44). Ungefähr 80% der jungen Erwachsenen wurden in ihrer Kindheit fremdplatziert und kamen überwiegend zu Adoptiv- oder Pflegeeltern. Etwa 2/3 leben zum Untersuchungszeitpunkt in „unselbständigen Lebensverhältnissen“ (S.50). Für etwa die Hälfte der jungen Erwachsenen wurde ein Schwerbehindertenausweis (SBA) vom Versorgungsamt ausgestellt. Auf die Anträge gab es keine einzige Ablehnung. Von den Probanden ohne SBA wurde in keinem Fall ein solcher beantragt. Ca. 2/3 aller Kinder wurden an der Regelschule eingeschult, 43% erreichten den Hauptschulabschluss, 16% einen Förderschulabschluss und etwa 25% der Probanden blieben ohne Schulabschluss
(S. 54). In vielen Fällen gestalteten sich die Kontakte zu Gleichaltrigen schwierig. Diebstahl war ein häufig genanntes Problem, wobei Gesetzeskonflikte vergleichsweise seltener auftraten (S. 80). Eine hohe Zahl der Probanden wurde Opfer von Straftaten (sexueller Missbrauch, Gewalttaten und Erpressung). Etwa die Hälfte der jungen Erwachsenen hat keine berufliche Qualifikation erlangt. Da aber die meisten Patienten überwiegend in behüteten Verhältnissen aufwuchsen, resümiert die Autorin zu den Ursachen, dass deren Beeinträchtigungen vermutlich „.... eine Folge der durch die Alkoholschädigung entstandenen kognitiven Defizite und Verhaltensstörungen sind.“
(S. 84) Darüber hinaus findet sie „Signifikant häufiger [...] Autoaggressivität und Diebstahl bei Patienten, die viele Wohnortwechsel erlebt hatten. Fast alle Personen, die vorbestraft waren, lebten in ihrer Kindheit bei mehr als einer Familie.“ (S. 89)

Die vorliegende Studie ist eine sehr sorgfältig durchgeführte und von erheblicher Relevanz für zukünftige Forschung in diesem Klientenfeld sowie für alle praktisch Tätigen, die FAS-Kinder und -Patienten besser verstehen und fördern wollen. Die Publikation der Arbeit als Buch ist bereits angekündigt und ihm kann im Voraus eine große und interessierte Leserschaft gewünscht werden. Bis dahin müssen Neugierige sich noch etwas gedulden oder an die Universität in Münster wenden
(s.
http://www.psy.uni-muenster.de/Psychologie.inst3/AEbromme/service/diplom.html).

Christoph Malter (Juni 2008)

s.a.

Neue Erkenntnisse zum fötalen Alkoholsyndrom

4. FAS-Tag (2002)

Erfahrungen einer Pflegemutter

Caspers-Merk zum weltweiten FAS-Tag

Zum Tod von Ann Gibson

6. FAS-Tag 2004

FAS-Symposium 2005

Kinder der Sucht

Über meine Fehler bei FAS-Klienten

Das Gefängnis - ein Lagerhaus für Personen mit FASD

Den Kindern die Zukunft weggetrunken

 

Liste der rezensierten bzw. präsentierten Bücher

 

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