FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Präsentation / Jahrgang 2002

 

Franjo Grotenhermen und Michael Karus (Hrsg)

Cannabis, Straßenverkehr und Arbeitswelt – Recht, Medizin, Politik

Springer-Verlag, Heidelberg, 2002
(400 Seiten, 49,95 Euro)

Vorbemerkung: Die Auswirkungen des Cannabis-Konsums gehören fraglos zum Themenkreis der Sozialpädagogik. Für eine angemessene Rezension dieses anspruchsvollen Sammelbandes müßte man aber mindestens Jurist, Mediziner und Pharmakologe sein. Deshalb bescheiden wir uns mit einer Präsentation der Aufgabenstellung aus dem Vorwort, einer Inhaltsübersicht mit Vorstellung der Autoren und zweier Resümees der beiden Herausgeber. Die weitreichende rechtspolitische und sozialpraktische Bedeutung des vorgestellten Buches geht aus diesen Auszügen unübersehbar hervor.
K. E., Feb. 2002


Aus dem Vorwort:

Cannabiskonsumenten droht in Deutschland der Entzug der Fahrerlaubnis, unabhängig davon, ob sie jemals unter dem Einfluss der Droge am Verkehr teilgenommen haben oder ob sie im Straßenverkehr auffällig wurden oder nicht. Der Nachweis des Konsums reicht für den Verdacht einer fehlenden Fahreignung aus. Für die Wiedererlangung des Führerscheins ist eine teure und umfangreiche medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) erforderlich und in letzter Konsequenz die Abstinenz von der Droge.

Es hat sich in den vergangenen Jahren eine Rechtspraxis etabliert, die praktisch jedem Cannabiskonsumenten die Fahreignung abspricht. Hierbei spielte ein Gutachten von Prof. Werner Kannheiser von der Universität München eine wesentliche Rolle, das im März 1999 veröffentlicht wurde. Kannheiser, der das Gutachten im Auftrag des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes schrieb, bekräftigte die Auffassung, dass gewohnheitsmäßige Cannabiskonsumenten und möglicherweise auch Gelegenheitskonsumenten ungeeignet zur Teilnahme am Straßenverkehr seien. Eine Auffassung, die geradezu im Widerspruch zu aktuellen wissenschaftlichen Studien steht.

Zudem wurde im Jahre 1998 das Straßenverkehrsgesetz so geändert, dass jeder Nachweis des Cannabiswirkstoffes THC im Blut als Nachweis einer akuten Berauschung gilt - mit entsprechenden juristischen Konsequenzen. Dieser Nullwert für THC macht pharmakologisch keinen Sinn, da THC erheblich länger im Blut nachweisbar ist, als eine akute psychomotorische Beeinträchtigung aufgrund des Konsums vorliegt.

Im Herbst 2000 wandte sich ein betroffener Bürger, dem auf Grundlage des Kannheiser-Gutachtens der Führerschein entzogen worden war, mit der Bitte um Anfertigung eines Gegengutachtens an das nova-Institut. In dieses Gutachten wurden neben Wissenschaftlern des nova-Instituts zwei auf diesem Gebiet versierte ausländische Wissenschaftler, Prof. Wayne Hall von der Universität Sydney sowie Prof. Alison Smiley von der Universität Toronto, einbezogen. Es wurde im März 2001 fertiggestellt und bildete die Ausgangsbasis für das vorliegende Buch. In leicht modifizierter Fassung wurde es als Kapitel 10 sowie Kapitel 16 bis 19 in die vorliegende Veröffentlichung integriert. Nach Erstellung des Gutachtens erschien es uns sinnvoll, die Auseinandersetzung mit der Thematik unter Einbeziehung weiteren juristischen, soziologischen und medizinischen Sachverstandes zu vertiefen, da das Thema im deutschsprachigen Raum bislang nur wenig Beachtung in der wissenschaftlichen und juristischen Diskussion gefunden hat.

Ein weiteres Thema, von dem erwartet wird, dass es in den kommenden Jahren im deutschen Sprachraum an Aufmerksamkeit gewinnt, ist der Drogenkonsum am Arbeitsplatz und die Diskussion um die berufliche Leistungsfähigkeit von Drogenkonsumenten. Erst vor wenigen Jahren hat sich eine Europäische Gesellschaft für Drogentests am Arbeitsplatz gegründet, zu deren Zielen eine Verbesserung der Datenbasis für die Durchführung von Screenings zur Ermittlung von Drogenkonsumenten zählt. Die Durchführung von Drogenscreenings ist vor allem in großen Firmen der USA seit langem Routine. In Europa haben die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers traditionell einen höheren Stellwert als in den Vereinigten Staaten, allerdings finden sich vermehrt Anzeichen für eine Veränderung zugunsten vermehrter Kontrollmöglichkeiten durch den Arbeitgeber.

Wir hoffen, mit den vorliegenden Beiträgen den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs zur Bedeutung von Cannabis für das Unfallrisiko und die Arbeitsproduktivität sowie den politischen und juristischen Umgang mit diesen Themen zu bereichern und zu beleben.

Dieser Aufgabenstellung dienen folgende Beiträge:

  1. Rechtliche Praxis beim Führerscheinentzug
    (S. Glathe, Fachanwalt für Strafrecht, Verteidigung von Cannabis-Konsumenten)
  2. Ärztliche und medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) und Fahrerlaubnisrecht
    (M. Hettenbach, Rechtsanwalt, Spezialisierung im Bereich Verkehrsrecht)
  3. Rechtliche Praxis bei Drogenkonsum von Arbeitnehmern
    (J. Fleck, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Arbeitskreis für Rechtsfragen bei der Landesstelle gegen Suchtgefahren in Berlin, Notdienst für Suchtmittelgefährdete)
  4. Fallstudie
    (L. Böllinger, Professor für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Bremen, Psychotherapeut; & R. Wenzel , Rechtsanwalt, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bremen und im Norddeutschen Institut für Kriminologische Forschung )
  5. Statistische Daten
    (M. Karus, Dipl-Physiker, Geschäftsführer am nova-Institut für Ökologie und Innovation)
  6. Cannabis, Straßenverkehr und junge Leute - ein Dispositiv im Generationskonflikt
    (S. Quensel, Professor für Resozialisation/Rehabilitation an der Universität Bremen)
  7. Drogenpolitik und Straßenverkehr
    (J. Neumeyer,  Dipl.-Politologe, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Bundestag)
  8. Verminderung von Fahrtüchtigkeit und Fahreignung durch unterschiedliche Faktoren
    (M. Karus - s.o. - &  F. Grotenhermen, Mediziner, Mitarbeiter des nova-Instituts für Ökologie und Innovation, Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin)
  9. Fahrtüchtigkeit, Fahreignung und Cannabiskonsum
    (F. Grotenhermen - s.o. -)
  10. Cannabiskonsum und Fahrverhalten - Ergebnisse experimenteller Studien
    (A. Smiley, Professorin in Ergonomie an der Universität Toronto)
  11. Vergleich der Cannabiswirkungen mit den Alkoholwirkungen auf der Basis der experimentellen Forschung
    (G. Berghaus, Professor am Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln)
  12. Cannabis, Alkohol und Unfallrisiko - Ergebnisse von Verursacherstudien
    (M. Longo, Verkehrsunfallforschung an der Universität Adelaide)
  13. Berufliche Leistungsfähigkeit und Cannabiskonsum
    (F. Grotenhermen - s.o. -)   
  14. Pharmakologie und Pharmakokinetik
    (F. Grotenhermen – s.o. -)
  15. Grenzwertmodelle zur Bestimmung der Fahrtüchtigkeit und Messverfahren
    (F. Grotenhermen & M. Karus - s.o. -)
  16. Hintergrund des Kannheiser-Gutachtens
    (F. Grotenhermen & M. Karus  -s.o. -)
  17. Inhalt des Kannheiser-Gutachtens
  18. Gewohnheitsmäßiger Cannabiskonsum und Teilnahme am Straßenverkehr
    (W. Hall, Professor für Drogen- und Alkoholstudien an der Universität Sydney)
  19. Methodenkritik am Kannheiser-Gutachten
    (F. Grotenhermen - s.o. -)  

Resümee zu Cannabiskonsum und Straßenverkehr

In Deutschland konsumieren ca. 3 Millionen Menschen gelegentlich oder regelmäßig Cannabisprodukte wie Haschisch oder Marihuana. Nach derzeitiger Gesetzeslage und Rechtspraxis droht diesen 3 Millionen der Entzug des Führerscheins, selbst wenn sie nie unter dem Einfluss von Cannabis ein Fahrzeug führten.

Jeder Cannabiskonsument muss damit rechnen, zur medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) bestellt zu werden, weil Cannabiskonsumenten generell im Verdacht der fehlenden Fahreignung stehen. Zudem liegt der Grenzwert für THC - dem wichtigsten psychoaktiven Wirkstoff von Cannabis - im Blut seit 1998 im Straßenverkehrsgesetz bei Null. Jeder Nachweis von THC im Blut gilt als Nachweis einer akuten Berauschung.

Immer mehr Rechtsexperten und Wissenschaftler halten die derzeitige Gesetzeslage und Praxis für (verfassungs)rechtlich bedenklich und wissenschaftlich nicht haltbar. Sie sehen eine deutliche Ungleichbehandlung von Cannabiskonsum gegenüber Alkoholkonsum und anderen möglichen Beeinträchtigungen von Fahrtüchtigkeit und Fahreignung.

Nach dem aktuellen Kenntnisstand sind Cannabiskonsumenten nur im akuten Rauschzustand (ca. 2 bis 3 Stunden) in ihren psychomotorischen Fähigkeiten relevant beeinträchtigt und selbst dann in der Regel nicht stärker als Alkoholkonsumenten mit einem Blutalkoholwert von 0,5 bis 0, 7 Promille. Der Nachweis von THC im Blut kann aber noch Tage nach dem Konsum erfolgen.

Herausgeber und Autoren dieses Buches möchten die aktuelle wissenschaftliche, rechtliche und politische Diskussion zum Thema "Cannabiskonsum und Straßenverkehr" auf ein belastbares Fundament stellen:

  • Wie sieht die aktuelle Gesetzeslage und Rechtspraxis aus? Welche (verfassungs)rechtlichen Bedenken werden diskutiert?
  • Welche Gefahr geht von Cannabiskonsumenten im Straßenverkehr tatsächlich aus?
  • Welche Grenzwerte für Cannabiskonsum werden den tatsächlichen Risiken im Straßenverkehr - auch in Relation zu den Bestimmungen für Alkohol - gerecht?
  • Wie müssten Regelungen aussehen, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, ohne die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen in unnötiger Weise einzuschränken.

Cannabiskonsum und Führerscheinverlust.

Cannabiskonsumenten droht in Deutschland der Führerscheinverlust, wenn der Konsum der Führerscheinstelle bekannt wird. Bereits bei geringsten Verdachtsmomenten können die Führerscheinbehörden umfassende, erheblich in die Grundrechte eingreifende Ausforschungsmöglichkeiten anordnen, gegen die keine Rechtsmittel zulässig sind. Fahreignungsüberprüfungsverfahren bei Verdacht auf Cannabiskonsum führen wegen der strengen Kriterien häufig zum Entzug der Fahrerlaubnis.

Gemäß den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung sind gewohnheitsmäßige Cannabiskonsumenten nicht geeignet, am Straßenverkehr teilzunehmen. Auch Gelegenheitskonsumenten droht der Verlust des Führerscheins, wenn der Betroffene nach dem Ergebnis der medizinisch-psychologischen Untersuchung Konsum und Fahren nicht trennen kann, wenn zusätzlicher Gebrauch von Alkohol vorliegt oder eine Störung der Persönlichkeit besteht.

Auffällig ist die Ungleichbehandlung zu Alkoholkonsumenten und anderen möglichen Beeinträchtigungen der Fahreignung. Beim Alkohol führt erst Missbrauch zum Entzug der Fahrerlaubnis. Wurde bei Cannabiskonsum eine fehlende Fahreignung festgestellt, so ermöglicht erst Abstinenz die erneute Teilnahme am Straßenverkehr, während vom alkoholmissbrauchenden Konsumenten nur eine ausreichende Änderung des Alkoholtrinkverhalten gefordert wird.

Unfallverursachung durch Cannabiskonsum

Cannabis stellt nach Alkohol die zweitwichtigste Droge dar, allerdings besteht für die Unfallverursachung eine deutliche Dominanz des Fahrens unter Alkoholeinfluss. Cannabis spielt in diesem Zusammenhang nur eine sehr geringe Rolle. Unfallverursacherstudien haben bisher kein erhöhtes Risiko für Cannabis gefunden, sondern eine Tendenz zu einem leicht verminderten Risiko. Im Gegensatz zu Alkoholkonsumenten scheinen Cannabiskonsumenten sich ihrer Beeinträchtigung bewusst zu sein und versuchen, diese durch eine vorsichtigere Fahrweise zu kompensieren. Es bestehen allerdings Hinweise, dass bei starkem akuten Cannabisrausch keine ausreichende Kompensation der Beeinträchtigung mehr möglich ist.

Akuter Cannabiskonsum

Faktoren. die das Unfallrisiko erhöhen können:

Der Konsum von Cannabisprodukten beeinträchtigt Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Reaktionsfähigkeit, Verarbeitung visueller Informationen, die Fähigkeit zur Abschätzung von Entfernungen und der Zeit sowie die Feinmotorik und Bewegungskoordination. Die Fahrtüchtigkeit ist daher im akuten Cannabisrausch reduziert. Die meisten Studien zeigen allerdings, dass relevante psychomotorische Cannabiswirkungen drei bis vier Stunden nach dem Konsum nicht mehr nachweisbar sind.

Nach dem Rauchen von Cannabis treten in der ersten Stunde nach Applikation Leistungsmängel auf, die denen einer Alkoholwirkung von 0,5 %o Blutalkoholkonzentration (BAK) oder mehr äquivalent sind. Bereits im Laufe der zweiten Stunde nach Inhalation und speziell ab der dritten Stunde verringern sich diese Leistungsminderungen jedoch deutlich in Bereiche, die denen einer Alkoholwirkung unter 0,5 %o Blutalkohol ähnlich sind. Analog werden nach oraler Aufnahme bei höheren Dosen nur im Verlauf der zweiten und dritten Stunde nach Konsum Leistungsminderungen erreicht, die denen von über 0,5 %o gleichen. Unabhängig von einem exakten Wert machen Vergleiche deutlich, dass weder die Nullgrenze für THC, noch die Nachweisgrenze ein gleiches Ausmaß an Leistungsminderungen erfassen, wie dies zur Ahndung des Fahrens unter Alkoholwirkung von 0,5 %o BAK oder mehr gefordert wird.

Faktoren. die das Unfallrisiko vermindern können:

Eine realistische bzw. übervorsichtige Selbsteinschätzung und Wahrnehmung der eigenen Leistungsfähigkeit sowie eine verminderte Risikobereitschaft, die mit akutem Cannabiskonsum assoziiert sind, vermindern das Unfallrisiko. Alkoholkonsum übt gegenteilige Effekte aus. Vergleichbare Unterschiede hinsichtlich Gefahrenwahrnehmung und risikoreichem Verhalten wie zwischen diesen beiden Drogen finden sich zwischen jüngeren und älteren Verkehrsteilnehmern sowie zwischen männlichen und weiblichen Autofahrern. Cannabis fördert danach ein Fahrverhalten, das eher dem weiblicher sowie älterer Verkehrsteilnehmer entspricht. Die protektiven Cannabiseffekte hinsichtlich Selbsteinschätzung und Risikobereitschaft können offenbar die negativen Effekte zum Teil kompensieren - bei geringen Cannabisdosen sogar möglicherweise überkompensieren - und so zur Erklärung der geringen Bedeutung von Cannabis bei der Verursachung von Verkehrsunfällen beitragen.

Auswirkungen des chronischen Konsums.

Starker, langzeitiger Cannabiskonsum verursacht möglicherweise Beeinträchtigungen bestimmter kognitiver Funktionen in den Bereichen Aufmerksamkeit, Gedächtnis, geistige Flexibilität und Integration komplexer Informationen. Diese Einschränkungen sind gering und daher nur mit sensitiven Messmethoden erfassbar. In ihrem Umfang fallen sie geringer aus als die altersbedingte Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit im mittleren Lebensalter.

Gewohnheitsmäßige Cannabiskonsumenten im nicht akut berauschten Zustand weisen nach den bisher durchgeführten epidemiologischen Untersuchungen kein erhöhtes Unfallrisiko auf.

Grenzwerte für THC im Blut

Grundsätzliches

Möchte man analog der Promillegrenze für den Alkohol einen laborchemischen Grenzwert für THC bzw. seine Stoffwechselprodukte definieren, so ergeben sich Schwierigkeiten, die auf den physikalischen und pharmakokinetischen Eigenschaften der Cannabinoide beruhen. Cannabinoide sind fettlöslich, so dass sich erst einige Zeit nach dem Konsum ein Gleichgewicht zwischen der THC-Konzentration im Blutplasma und der Konzentration im Gehirn herstellt. Es besteht zwar eine Dosisabhängigkeit der THC-Wirkungen, jedoch keine direkte Korrelation zwischen der Blutkonzentration und der Stärke der psychomotorischen Effekte.

Zudem unterscheiden sich die Konzentrations- und Wirkverläufe in Abhängigkeit vom Applikationsweg (oral, inhalativ). Wegen der langen Eliminationshalbwertszeiten kumulieren THC und seine Metaboliten bei gewohnheitsmäßigen Konsumenten, so dass sie lange nachweisbar sind und ihr alleiniger Nachweis keine Auskunft über den Grad der Beeinträchtigung gibt.

Versuche, Speichel oder Schweiß als Untersuchungsmaterial für Roadside-Tests zu verwenden, verliefen bisher wegen der geringen Test-Genauigkeit enttäuschend. Vorläufige Studien lassen jedoch erwarten, dass in naher Zukunft bald deutlich verbesserte Screeningverfahren zur Verfügung stehen könnten.

Aktuelle Rechtslage:

Das Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 28. April 1998 sieht die Möglichkeit vor, das Führen eines Kraftfahrzeuges unter dem Einfluss berauschender Mittel als Ordnungswidrigkeit zu behandeln und mit einer Geldbuße zu bestrafen. Dazu wurde der § 24a des Gesetzes verändert. Es heißt nunmehr in Absatz 2:

,,(2) Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. (...)."

Dies bedeutet einen Grenzwert von Null für den Cannabiswirkstoff THC und andere Rauschmittel im Blut. THC ist allerdings je nach Konsumintensität bis zu mehreren Tagen nach dem letzten Konsum im Blut nachweisbar, obwohl die akute Wirkung etwa 2 bis 3 Stunden anhält.

Grenzwertvorschlag der Herausgeber:

Ein sinnvoller Grenzwert sollte ähnlich dem auf der Blutkonzentration beruhenden Grenzwert für Alkohol sicherstellen, dass ein akuter Drogeneinfluss erfasst wird, sowohl bei Gelegenheits- als auch bei chronischen Konsumenten.

Beim Konsum von Cannabisprodukten lässt sich eine akute Berauschung bisher nur anhand von Blutuntersuchungen nachweisen. Es lässt sich ein unterer Grenzwert festlegen, d.h. eine THC-Konzentration im Blutplasma, unter der im Allgemeinen keine relevante psychomotorische Beeinträchtigung besteht. Soll sie eine Beeinträchtigung analog einer BAK von 0,5 %o ausschließen, so liegt dieser untere Grenzwert bei etwa 10 ng/ml. Es gibt allerdings Situationen, bei denen auch oberhalb von 10 ng/ml in einem Zwischenbereich zwischen 10 und 20 ng/ml keine relevante Beeinträchtigung besteht. Hier kann eine nähere Betrachtung weiterer Parameter Hinweise darüber geben, ob eine relevante akute Leistungsverminderung besteht oder nicht. Oberhalb eines oberen Grenzwertes von 20 ng/ml ist im Allgemeinen von einer Beeinträchtigung auszugehen, die einer Stärke entspricht, wie sie bei einer BAK von 0,5 %o oder darüber beobachtet werden kann.

Resümee zu Cannabiskonsum und Arbeitswelt

Akuter Cannabisrausch und Arbeitsproduktivität
Cannabiskonsum reduziert im akuten Rausch Fähigkeiten, die für die Arbeitsproduktivität wichtig sind und kann die Unfallrate erhöhen. Es gibt allerdings bisher nur wenige Informationen zum unmittelbaren Zusammenhang zwischen der akuten Beeinträchtigung durch die Droge und arbeitsrelevanten Größen.

Cannabiskonsum und Arbeitsleistung
Es gibt eine Vielzahl von Hinweisen auf einen Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und Parametern der Arbeitsproduktivität wie berufliche Eignung, Arbeitslosigkeit, Entlassungen, Disziplinprobleme und Fehlzeiten. Allerdings wurde in den verschiedenen Studien die Hypothese, nach der Cannabiskonsum die Arbeitsleistung beeinträchtigt, nicht immer bestätigt, so dass die Meinungen verschiedener Autoren in dieser Frage auseinander gehen. In einigen Studien fielen die Ergebnisse in Abhängigkeit von Geschlecht, Alter, Hautfarbe und kulturellem Hintergrund unterschiedlich aus, was als Hinweis auf soziale Modifikationen des Cannabiseffektes gewertet werden kann. Jugendliche und junge Erwachsene werden möglicherweise relevant in ihrer beruflichen Leistung beeinträchtigt, während ein solcher Zusammenhang bei älteren Konsumenten weniger wahrscheinlich ist, insbesondere wenn diese nur in der Freizeit Cannabis konsumieren.

Cannabiskonsum und Arbeitsunfälle
Hinweise auf einen positiven Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und Arbeitsunfällen sind schwach. Wenn eine solche Assoziation besteht, so ist seine Bedeutung im Vergleich mit anderen unfallrelevanten Einflüssen vermutlich gering. Allerdings könnte sie in bestimmten Bereichen mit besonderen Ansprüchen an Kognition und Psychomotorik größer sein als in der allgemeinen arbeitenden Bevölkerung. Zudem könnte in unfallträchtigen Bereichen (z.B. Flug- und öffentlicher Verkehr) ein Screening auch bei - statistisch betrachtet - geringer Bedeutung sinnvoll sein.

Drogenkonsum und Arbeitsrecht
Drogenkonsum ist ebenso wie Alkoholkonsum arbeitsrechtlich zunächst irrelevant. Erst wenn sich Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis zeigen, können Pflichtverletzungen oder Fehlverhalten sanktioniert werden. Soweit der Konsum zur Abhängigkeit geführt hat, sind die Grundsätze für die Beurteilung einer Krankheit anzuwenden. Dies gilt sowohl bei der Lohnfortzahlung als auch bei der personenbedingten Kündigung.

Bedeutung von Drogenscreenings für die Arbeitsproduktivität
Drogenscreenings entspringen verschiedenen Motiven und Interessen. Vordergründige Motive sind die Verringerung von Arbeitsunfällen und eine Verbesserung der Arbeitsproduktivität. Politische Interessen von Gegnern des illegalen Drogenkonsums, die eine drogenfreie Gesellschaft anstreben, und finanzielle Interessen von Vertretern der Drogenscreening-Industrie spielen jedoch ebenso eine wichtige Rolle in der Meinungsbildung um den Nutzen von Drogenscreenings am Arbeitsplatz. Ob sich solche Tests für ein Unternehmen in einer Kosten-Nutzen-Analyse rechnen, hängt vor allem von der Bedeutung illegalen Drogenkonsums für die Arbeitsproduktivität und von der Prävalenz des Konsums ab. Valide Aussagen zur Frage der Arbeitsproduktivität sind nicht möglich, so dass auch keine zuverlässigen Aussagen zum finanziellen Nutzen von Drogenscreenings möglich sind. Zudem sind bei einer Abwägung die wünschenswerten Ziele von Drogenscreenings gegen ihre sozialen Kosten, wie die Verletzung der Privatsphäre und die Kontrolle der Beschäftigten über die Arbeitszeit hinaus, aufzurechnen.

Rechtliche Zulässigkeit von Drogenscreenings
Ein Drogenscreening generell ist unzulässig. Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers steht einer damit beabsichtigten Prävention oder Beweiserleichterung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes höherwertig gegenüber. Die Anordnung eines Drogenscreenings in Vereinbarungen ist unwirksam, auch schon bei der Einstellung. Unterzieht sich der Arbeitnehmer freiwillig dem Drogenscreening, bestehen hiergegen keine Bedenken. Insofern kann zur Entlastung bei Vorwürfen ein Drogenscreening zwischen den Betriebspartnern vereinbart werden.

 

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