FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2007

 


Klaus Fröhlich-Gildhoff

Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern
und Jugendlichen
Ursachen, Erscheinungsformen und Antworten

aus der Reihe: Module angewandter Psychologie
hgg. von J. Hartung & K. Fröhlich-Gildhoff

Kohlhammer, 2007
(308 Seiten, 28 Euro)

Der Autor:
Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff lehrt Klinische Psychologie, Entwicklungspsychologie und Kinder- und Jugendhilfe an der Evangelischen Fachhochschule Freiburg und leitet dort das Zentrum für Kinder- und Jugendforschung.

Das Anliegen des Buches skizziert der Autor in seinem Vorwort:
»Das vorliegende Buch versucht, einen Überblick über die wichtigsten Verhaltensauffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter sowie die professionellen 'Antworten' - also Unterstützungsmöglichkeiten und -angebote - zu geben. In das Buch sind neben der theoretischen Reflexion der relevanten Literatur auch die praktischen Erfahrungen des Autors als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut ebenso eingeflossen, wie Erkenntnisse und Erfahrungen, die im Rahmen der Ausbildung von Studierenden an der Evangelischen Fachhochschule Freiburg und verschiedenen Universitäten gemacht wurden. Durch diese Erfahrungen ergaben sich Schwerpunktsetzungen und zum Teil die Strukturierungen dieses Buchs.
     Das Werk steht an der Schnittstelle zwischen akademischer Ausbildung und der praktischen Arbeit mit (verhaltensauffälligen) Kindern und Jugendlichen. Es möchte die Tätigkeit von (angehenden) Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und (angehenden) Psychologen aber auch von Fachkräften in den verschiedenen Feldern der Sozialen Arbeit, der Sozialpädagogik, der Jugendhilfe und der Heilpädagogik bereichern.«

Die Hauptüberschriften:
Vorwort der Reihenherausgeber
Vorwort des Autors
Einleitung
Begriffsbestimmung: Was ist "verhaltensauffällig"?
Allgemeines Modell der Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten
Diagnostik und Indikationsstellung
Spezifische Formen von Verhaltensaufälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen
Unterstützungs- und Begegnungsmöglichkeiten bei Verhaltensauffälligkeiten
Literatur [30 Seiten!]
Stichwortverzeichnis

Auszüge aus den Zusammenfassungen der Kapitel 2 bis 6:

Zusammenfassung nach dem 2. Kapitel:
»(Verhaltens-)Auffälligkeit ist immer ein soziales Konstrukt, das in Zusammenhang mit sozialen Gruppen- oder Individualnormen zu betrachten ist. Kriterien für Auffälligkeiten bzw. Störungen sind insbesondere: Die Stärke und Anzahl der Symptome, die psychosozialen Beeinträchtigungen, das jeweilige Alter und Geschlecht sowie die Dauer des Auftretens. Grundsätzlich ist eine scharfe Trennung zwischen auffällig/unauffällig bzw. normal/"gestört" schwer zu treffen; man geht deshalb von einer Dimension mit den Polaritäten unauffällig/normal auf der einen und auffällig/"gestört" auf der anderen Seite aus.
     Die Diagnosen von Auffälligkeiten bzw. seelischen Störungen sind in den Systemen ICD-10 (Internationale Klassifikation psychischer Störungen) bzw. DSM IV (Diagnostisch-statistisches Manual psychischer Störungen) beschrieben und kategorisiert. Eine dimensionale Klassifizierung beschreibt drei Gruppen von Auffälligkeiten: Internalisierende Störungen, externalisierende Störungen und gemischte Störungen.« (S. 31)

Zusammenfassung nach dem 3. Kapitel:
»Die modernen Entwicklungswissenschaften, mittlerweile auch alle theoretischen Konzepte der unterschiedlichen Psychotherapieschulen, gehen von einem engen Zusammenwirken biologischer, sozialer und innerpsychischer/-psychologischer Faktoren bei der seelischen und körperlichen Entwicklung von Menschen allgemein und der Entwicklung von seelischen Störungen und Verhaltensauffälligkeiten im Besonderen aus. Verhaltensauffälligkeiten werden dabei als eine mögliche Variante unterschiedlicher Entwicklungsverläufe gesehen. Es lassen sich dabei keine eindeutigen linearen Kausalitäten herstellen.
     Der dargestellte Erklärungsansatz für die Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen basiert auf einem integrativen bio-psycho-sozialen Modell:
     Dieses Modell geht zunächst allgemein davon aus, dass im Zusammenspiel zwischen biologischen Ausgangsbedingungen und (früh-)kindlichen (Beziehungs-)Erfahrungen sich die individuelle Selbststruktur - im Sinne eines Netzwerks handlungsleitender innerpsychischer Schemata - herausbildet. Dieser Entwicklungsprozess ist wiederum abhängig von Risiko- und Schutzfaktoren, bei denen die sozialen Bedingungen und hier insbesondere die primären Bezugspersonen eine besondere Bedeutung haben. Im Laufe der individuellen Entwicklung muss das Kind bzw. der Jugendliche altersabhängig spezifische Entwicklungsaufgaben bewältigen. Neben der Bewältigung dieser alterstypischen Entwicklungsaufgaben müssen immer wieder besondere Stress- oder Belastungssituationen individuell bearbeitet werden. Dieser Bewältigungsprozess ist abhängig von der bisher entwickelten Selbststruktur und wiederum von aktuell vorhandenen Risiko- und Schutzfaktoren.
     Eine bedeutende Rolle wird dabei insgesamt den (frühen) Interaktionen zwischen dem Kind und seinem sozialen Umfeld, vor allem seinen Eltern zugesprochen.« (S. 58)

Zusammenfassung nach dem 4. Kapitel:
»Wichtige Grundprinzipien des diagnostischen Vorgehens sind ein hypothesengeleitetes Vorgehen, eine multimodale und multimethodale Herangehensweise an die diagnostischen Fragestellungen sowie eine ganzheitliche und auch ressourcenorientierte Sichtweise; es geht also nicht darum, möglichst präzise Probleme zu beschreiben oder Defizite aufzuzeigen.
     Der diagnostische Prozess lässt sich durch folgende Schritte kennzeichnen: Erstkontakt, Auftragsklärung, gezielte Informationssammlung mit verschiedenen Methoden, Datenintegration, Rückkopplung mit den Betroffenen, partizipative Entscheidung über das Vorgehen mit Zielen und Teilzielen. Im Rahmen der Umsetzung der Hilfe kommt es zu einer prozessbegleitenden Diagnostik, um eine adaptive Prozesssteuerung vornehmen zu können.
     Methoden der Diagnostik sind: Anamneseerhebung und Exploration, Analyse sozialer Situationen, systematische Beobachtung, (psychologische) Testverfahren sowie körperbezogene diagnostische Verfahren.« (S. 75)

Eine der störungsspezifischen Zusammenfassungen im 5. Kapitel:
»Kernsymptome der Aufmerksamkeitsdefizit(hyperaktivitäts)störung sind Unaufmerksamkeit, Überaktivität und Impulsivität.
     Das Störungsbild hat eine relativ lange Geschichte; seine Genese - und die daraus abgeleitete Therapie - ist Gegenstand heftiger Fachdiskussionen, insbesondere die medikamentöse Behandlung der Störung. Unstrittig ist, dass zur Feststellung der Auffälligkeit bzw. Störung eine sehr genaue und umfassende Diagnostik erforderlich ist.
     Epidemiologisch wird davon ausgegangen, dass 3-5 % der Kinder im Schulalter deutliche Symptome einer ADHS zeigen; eine hohe Komorbilität besteht zur Störung des Sozialverhaltens.
     Ursächlich stehen Störungen der (Selbst-)Regulation (des Aktivitätslevels) im Vordergrund, die aus dem Zusammenwirken von Temperamentfaktoren und der frühen Interaktion mit Bezugspersonen entstehen. Es entwickeln sich frühzeitig 'Teufelskreise', die sich auf organischer Ebene dann auf den Neurotransmitterstoffwechsel auswirken. Diese Prozesse werden verstärkt durch Stresserleben in Alltagssituationen, vor allen Dingen in hochstrukturierten Situationen (z. B. in der Schule).
     Die Unterstützung von Kindern mit ADHS-Auffälligkeiten sollte therapeutisch wie pädagogisch auf jeden Fall multimodal erfolgen und Kind, Eltern sowie andere Bezugspersonen (vor allem Lehrer und Erzieher) einbeziehen. Wesentliche Kennzeichen sind: die Strukturierung des Alltags, die Gestaltung von Bindungssicherheit sowie die Unterstützung beim Aufbau von Selbstregulationsfähigkeiten. Erst wenn diese psychotherapeutischen Maßnahmen keinen Erfolg haben und eine starke Krise droht (z.B. Ausschulung), ist eine medikamentöse Behandlung indiziert.« (S. 135)

Zusammenfassung nach dem 6. Kapitel:
»Die Wurzeln für viele Verhaltensauffälligkeiten liegen in den ersten Lebenserfahrungen und -jahren. Auf diesem Hintergrund ist es sinnvoll, möglichst frühzeitig präventive Hilfen für Eltern und Kinder anzubieten und zu realisieren, um die Entstehung und Verfestigung von Verhaltensauffälligkeiten zu verhindern.
     Es stehen eine Reihe von derartigen Programmen zur Verfügung, die sich unterscheiden lassen einerseits in Präventionsprogramme, die auf eine allgemeine Entwicklungsförderung abzielen (z. B. Programm EFFEKT oder PRiK) und Präventionsprogramme mit einer spezifischen Zielrichtung (z. B. das Programm FAUSTLOS-Prävention von aggressivem und gewaltbereitem Verhalten oder das Konzentrationstraining für Kindergarten- und Vorschulkinder). Ein größerer Teil dieser Programme ist für den Vorschul- oder Grundschulbereich geeignet und mehrere sind gut evaluiert.« (S. 273)

Bilanzierende Bewertung:
Klaus Fröhlich-Gildhoff hat ein inhaltlich und didaktisch vorbildlich gestaltetes Lehrbuch vorgelegt: Inhaltlich profitiert es davon, dass der Autor über eigene einschlägige Forschungserfahrungen und über einen weiten und vor allen Dingen undogmatischen Überblick über die Fachliteratur verfügt (das Literaturverzeichnis umfasst 30 Seiten!). Didaktisch lebt es von einem gut lesbaren Schreibstil und von der Nutzung vielfältiger Gestaltungsmittel (zahlreiche Untergliederungen, Fallbeispiele, Abbildungen, Graphiken, Tabellen, Textkästen – kaum eine Seite, die nur aus durchgehendem Text besteht).
Für Praktiker und Studenten ideal, aber auch für Wissenschaftler interessant!

Kurt Eberhard  (Dez. 2007)

 

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