FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2007

 



Rainer Richard, Beate Krafft-Schöning

Nur ein Mausklick bis zum Grauen …
Jugend und Medien

Schriftenreihe der Medienanstalt Sachsen-Anhalt
Band 7

Vistas-Verlag 2007
(212 Seiten, 12 Euro)

 


Die Autoren:
Beate Krafft-Schöning ist Journalistin mit dem Schwerpunkt 'Sexuelle Gewalt, hält Vorträge für Eltern, Erzieher, Lehrer und Polizisten und hat mehrere Aufklärungsschriften zum Thema veröffentlicht.
Rainer Richard ist Kriminalkommissar und IT-Sachverständiger für das Münchener Polizeipräsidium, hat ebenfalls einschlägig publiziert und ist in der Aufklärungs- und Weiterbildungsarbeit aktiv.

Die Aufgabenstellung des Buches beschreiben die Autoren in ihrem Vorwort:
»'Nur ein Mausklick bis zum Grauen' berichtet über die Schattenseiten des Umgangs von Kindern mit den neuen Medien. Nach Jahren der Recherche im Internet, Erfahrungen mit Opfern und Tätern auf unterschiedlichen Ebenen, der Arbeit mit Pädagogen, Eltern, Kindern und Jugendlichen und der Betrachtung der Entwicklungen in unterschiedlichen Bereichen ist es aus unserer Sicht dringend Zeit, über diese Schattenseiten umfassend zu informieren.
     Neben den wertfreien Informationen zu den einzelnen Sachgebieten ist es uns sehr wichtig, auch über die möglichen Folgen, die der falsche Mediengebrauch beziehungsweise der Medienmissbrauch von Kindern und Jugendlichen mit sich bringen kann, nachzudenken. ….
     Neben Informationen und kritischen Betrachtungen bietet 'Nur ein Mausklick bis zum Grauen' auch hilfreiche Tipps für Erziehende, die sich auf den Weg machen wollen, sinnvolle, sichere und reflektierte Medienerziehung zu betreiben. Aber was erst einmal leicht aussieht, ist mit viel Arbeit verbunden. Wer meint, dass es mit einer guten Filtersoftware getan ist, irrt. Das Bewusstsein für die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten der neuen Medien gilt es zu erlernen und zu erfahren. …. Die vielfältigen Möglichkeiten der Kommunikation mit anderen werfen Probleme auf, die sich "im echten Leben" in der Form kaum ergeben. ….
     'Nur ein Mausklick bis zum Grauen' soll dazu anregen, sich kritischer als bisher mit den neuen Medien "in Kinderhänden" auseinander zu setzen. Die Kernfrage lautet: Wie viel Internet, Handy, Ballerspiel und Cybersex braucht ein Kind, um gesund erwachsen zu werden?«

Das Inhaltsverzeichnis annonciert zwei Teile; der erste stammt von Rainer Richard, der zweite von Beate Krafft-Schöning:

Vorwort von Peter Vogt, Oberstaatsanwalt in Halle
Vorwort der Autoren

 

Jugend und elektronische Medien
von Rainer Richard

Einleitung

Internet-Nutzung durch Kinder und Jugendliche
Erotik und Pornografie
Verbotene Pornografie und Gewaltdarstellungen
Gewaltdarstellung, Gewaltverherrlichung und Hass
Umgang von Kindern mit Gewalt und Pornografie
Rassismus und politischer Extremismus
Sekten, Satanismus, okkulte Gruppierungen
Bombenbasteln – leicht gemacht
Suizid in der virtuellen Welt
Geschäfte im Internet
Tauschbörsen und Filesharing
Kommunikationsplattformen im Internet
Urheberrecht
Tipps für Eltern und Schulen

Computerspiele (und das Internet)
Erfahrungen und ein wenig Statistik
Wenn Computerspiele zum Problem werden
Güteprüfung von Computerspielen - seriöse Ergebnisse?
PC-Spiele - wissenschaftlich betrachtet
Resümee

Handys
Faszination Mobilfunktelefon
Neue Phänomene
   Happy Slapping
   Snuffi
Wie kommen die Fotos und Videos auf das Handy?
Psychische Folgen durch den falschen Einsatz von Handys in Kinderhänden
Rechtliche Folgen
Prävention als Lösungsansatz
Tipps für Eltern und Lehrer

Medienerziehung und Medienkompetenz
Was ist Medienkompetenz?
Medienkompetenz als präventiver Jugendschutz
Allgemeine Tipps zur Medienerziehung

 

Kinder im Internet - Gefahren, die keiner kennt
Sexuelle Gewalt gegen Kinder im Internet
von BeateKrafft-Schöning

Einleitung

Wer sind die Täter?
Pädosexuell orientierte Täter
'Bungee-Pädos'
Vom ersten "Hi" bis zur Verabredung
Motive der unterschiedlichen Tätergruppen im Vergleich
Täterinnen
Background der Recherche
Resümee

Die Opfer
Warum wird ein Kind Opfer sexueller Gewalt im Internet?
Fakten
"Erklärungsversuche..."
Kritisch betrachtete Kinder- und Jugendchats
Resümee
Experten und Industrie
Lerneffekte?
Expertenmeinung: kontroverse Erkenntnisse
Alleine im Internet - Kinder überfordert?
Betrachtungen zur (Selbst-) Schuldfrage des Opfers

Prävention
Praxiserfahrung ist gefragt
"Get in and find out" - Anleitung Praxistest
Fragenkatalog für Eltern, deren Kinder bereits mit dem Internet "arbeiten"
Erweiterter Fragenkatalog für Eltern, deren Kinder noch keine Interneterfahrungen haben
Fragenkatalog für Schulen
Resümee Praxistest
Was ist zu tun, wenn "was passiert ist"?
Bewusstsein schaffen
Allgemeine Tipps und Kniffe

Nachtrag

Nachschlag

Die Autoren

Einige Textproben sollen einen Eindruck über Inhalt und Stil der Darstellung vermitteln:

Zum Umgang von Kindern mit Gewalt und Pornografie schreibt Richard:
»Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass Pornografie und sexuelle Gewalt sexuelle Aggressionen zu enthemmen scheinen. In den 40er bis 80er Jahren stellte man zum Beispiel in mehreren Ländern eine Wechselbeziehung zwischen sexuellen Übergriffen und der Verfügbarkeit von pornografischem Material fest. Diese Wechselbeziehung sagt jedoch nichts über eventuelle kausale Zusammenhänge oder die Beeinflussung durch andere Faktoren aus.
     Die Konfrontation von Gewalt in den Medien wie im Fernsehen, im Internet oder in Computerspielen kann in Einzelfällen zur Replizierung des Erlebten in der Realität führen.
     Geradezu erschreckend sind die dargestellten Gewaltszenen im Internet: die massive Darstellung von Hinrichtungsszenen, zerfetzten Körpern von Unfallopfern, Körperverletzungsdelikte bis hin zu Tierquälereien zeigen besonders deutlich, dass hier Aggressionen in Form von Gewalt zum reinen Selbstzweck werden oder diese Gewalttaten sogar verherrlicht werden, indem die negativen Auswirkungen positiv für den Betrachter dargestellt werden. Hier muss man wohl von einer Jugendgefährdung ausgehen, da in solchen Fällen die Gewalt als Konfliktlösungsmethode oder zur Aggressionsentladung geradezu empfohlen wird. ….    
     Problematisch werden vor allem die Fälle, in denen Jugendliche und Kinder den Unterschied zwischen realer und virtueller Gewalt noch nicht wirklich differenzieren können und Gewalt am PC als Unterhaltung "spielen". Diese Kinder werden sich die falschen Werte und "Vorbilder" möglicherweise zu Eigen machen und sich damit verhaltensgestört und sittlich desorientiert entwickeln. ….
     Von Anfang an sind die Themen Sexualität und Gewalt "in einem Topf vermengt", so dass Jugendliche so etwas wie eine eigene Sexualität, Zärtlichkeit und Mitfühlen gar nicht entwickeln können. Die Folge ist: Es entsteht ein falsches Bild von Sexualität, es kommt zur Verrohung und steigenden Gewaltbereitschaft sowie zu einer ethisch-moralischen Abstumpfung.« (S.32/34)

Auch der Praxisbezug kommt nicht zu kurz:
»Sprechen Sie als Erziehungsberechtigte mit Ihren Kindern. Machen Sie den Kindern klar, wie sie mit dem Computer und dem Internet umgehen sollen, insbesondere die Themen Legalität und Ethik sind Werte, die hier vermittelt werden sollten. Reden Sie über das Urheberrecht und über diejenigen, die das Nachsehen haben, wenn Songs und Filme über das Internet weiter gegeben werden. Was ist mit den Komponisten, den Künstlern, den Musikern? Für diese Personen geht es um den Lebensunterhalt. Es darf nicht das Motto gelten: "Die Musikindustrie verdient sich ohnehin eine goldene Nase"! Abgesehen davon: Wer zahlt denn die Strafen in der Familie, wenn jemand aus diesem Kreis verklagt wird?
     Letztlich gehört zur elterlichen Aufsichtspflicht auch die Kontrolle der Computer. Es gibt inzwischen Hilfsmittel wie das Programm "Digital File Check" (DFC), das installierte Filesharing-Programme automatisiert erkennt und diese Software-Programme blockieren oder löschen kann. Ferner erkennt es alle Dateien auf dem eigenen Computer, die im sog. "Freigabe-Ordner" gespeichert sind. Letztlich nimmt das DFC noch eine Bestandsaufnahme nach Musik-, Video- und Bilddateien auf der Festplatte vor.
     Sie können sich das Programm, auch in deutscher Sprache, unter folgender Adresse laden: http: //www.ifpi.org/site-content/antipiracy/digital-file-check.html.
     Machen Sie Ihrem Nachwuchs klar, dass das Internet eine Menge von legalen Plattformen bietet, mit Millionen von Titeln aller Genres und Zeiten, und dies kostenlos oder auch für wenjg Geld.« (S. 71/72)

Beate Krafft-Schöning referiert viele wenig bekannte Fakten; hier nur ein kleiner Ausschnitt:
»Fünf bis sieben von zehn neuen Chatpartnern wollen "was Sexuelles", sagten bis vor zwei Jahren die 16-jährigen Jugendlichen. Leider bekommt man diese Aussage in jüngster Zeit auch von Fünftklässlern. Zwei bis drei bereits durchgeführ1e reale Dates sind für viele Teenies zwischen zwölf und 16 Jahren keine Seltenheit mehr (2007).
     Nicht selten treffen sich Kinder und Jugendliche selbst dann noch einmal mit fremden Chatfreunden, wenn sie bereits einmal schlechte Erfahrungen gemacht haben. Der Gutgläubigkeit und dem Vertrauen, eigentlich völlig fremden Menschen gegenüber, scheinen hier keine Grenzen gesetzt zu sein.
     Man lernt sich im Chat kennen und trifft den neuen Freund/die neue Freundin am vermeintlich sicheren Bahnhof, am Kino oder auch mal im Schwimmbad. Mit steigender Tendenz wird sich auch ganz bewusst zum Sex verabredet. Viele Jugendliche, die bei Treffen mit dem Chatfreund vergewaltigt wurden, bzw. bei denen es zu sexuellen Übergriffen kam, wussten vorher über das Ansinnen des Täters sehr genau Bescheid. Schockiert? Sicher muss man hinsichtlich dieser Fälle bedenken, dass manches Opfer vom Täter zwar gesagt bekam, was beim Treffen "laufen soll", aber keine genaue Vorstellung hatte, was das letztlich bedeutet.
     Beobachtet man über einen Zeitraum von vier bis fünf Jahren die Verhaltensveränderungen bei Heranwachsenden, wird aber auch klar: Kinder und Jugendliche haben andere Interessensschwerpunkte - sind anders "gepolt"(worden). Das Gefühl für sich selbst, seinen Körper und das, was man wirklich will, scheint immer mehr Kindern und Jugendlichen abhanden zu kommen. Dieses Phänomen ist nicht ausschließlich bei jenen zu finden, die der gesellschaftlichen Vorstellung nach "eh aus dem Milieu" stammen, die Hauptschule besuchen und keine Zukunftsperspektiven haben. Ganz "normale" Kinder aus Durchschnittsfamilien bieten sich heute im Internet mehr oder weniger quasi als "Ware" an. Sie gehen hohe Risiken ein und müssen schnell Erfahrungen machen, die ihnen ihre Eltern sicher gerne erspart hätten.« (S. 158/159)

»Die Folgen hinsichtlich der Konditionierung und Desensibilisierungen in den Bereichen Sexualität und Gewalt scheinen sich bereits abzuzeichnen. Zum einen lässt sich die Zunahme der Gewaltbereitschaft oder auch der Fallzahlen im Bereich der Sexualstraftaten, die von Jugendlichen verübt wurden, nachweisen. Zum anderen lassen sich die Veränderungen auch im Internet selbst nachvollziehen. In den Chats lassen sich immer mehr Jugendliche antreffen, die gezielt auf die Suche nach Sexualpartnern gehen.« (S. 176)

Nach ausführlichen Anregungen zur vorgängigen Selbstaufklärung von Eltern und Erziehern, zu einfühlsamen Gesprächen mit gefährdeten Kindern und Jugendlichen und zu alternativen Freizeitgestaltungen folgt eine etwas polemische, aber doch nachdenklich stimmende Auseinandersetzung mit modernen Formen der Pädagogik:
»"Dialog" heißt das Zauberwort der modernen Mutter, um der Schmach, die von allen Seiten hereinzubrechen droht, zu entkommen. Die Dialog-Mutter bietet das Gespräch an, aber fordert nicht. Sie ist immer bereit zu reden, aber selten bereit zu handeln. Und wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, war man doch immerhin im Dialog. Dass es durchaus Themenfelder gibt, bei denen sich mancher Dialog mit dem kreischenden Nachwuchs erübrigt, scheint bei dieser Form der Kommunikation von Eltern zu Kindern manchmal übersehen zu werden. Welcher erwachsene Mensch kann denn ernsthaft glauben, dass Kinder und Jugendliche die Risiken, die beispielsweise vom Chatfreund ausgehen, wirklich begreifen? Steht dem nicht zu viel Selbsterfahrungsdrang, Neugier gepaart mit mangelnder Lebenserfahrung und einer großen Portion Naivität entgegen? Ist es nicht bekannt, dass insbesondere Jugendliche sich gerne abgrenzen, Wege außerhalb des Elternhauses bewusst suchen und sowieso gegen alles sind, was "von den Alten" kommt? Kinder suchen und brauchen Grenzen, um zu lernen, sich selber richtig einzuschätzen. Sicher kann man diese Bestrebungen bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen und die Kinder kontrolliert "Erfahrungen sammeln lassen". Aber während Mami und Papi sich weiterhin im Dialog üben, übernimmt der Chatfreund sicher gerne die "Aufklärung" und oder die Weisung des rechten Weges. Muss der Dialog nicht irgendwann der Verantwortlichkeit weichen und eingeschritten werden, bevor "es" passiert? Anstatt hinterher zu lamentieren und womöglich dem kindlichen Opfer die Schuld zu geben.« (S. 200/201)

Bilanzierende Bewertung:
Die Autoren haben mit diesem Band ein sehr informatives, z.T. aufrüttelndes Aufklärungswerk vorgelegt, das eine gefährliche Wissenslücke schließt und deshalb allen privaten und professionellen Erziehern dringend empfohlen werden kann. Auch dem Verlag muß für seine bestens gelungene Gestaltung mit vielen farbigen Abbildungen gedankt werden – und das für einen erstaunlich niedrigen Preis.

Kurt Eberhard  (Juli 2007)

 

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