FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2005

 



Katharina Sutter / PFAD Bundesverband
der Pflege- und Adoptivfamilien e.V.

Umfrage unter Pflegeeltern
zu ihren Erfahrungen zum Umgang
von Pflegekindern
mit deren Herkunftsfamilie

Frankfurt, 2004
 (68 Seiten, 7,50 Euro)

 


Mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) führte der PFAD-Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien eine Umfrage bei Pflegeeltern mit dem Ziel durch, einen Beitrag zur Entwicklung von Standards für die Vorbereitung und Begleitung von Pflegeverhältnissen und Umgangskontakten zu leisten sowie empirisch fundierte Aussagen über die Qualität von Umgangskontakten aus deren Perspektive treffen zu können. Es wird Bezug genommen auf die Arbeitstagung vom September 2002, in der erste fachliche Orientierungshilfen zu Umgangsfragen entwickelt wurden. Ferner werden Empfehlungen zur fachlichen Vorbereitung und Begleitung von Umgangskontakten in einer weiteren Broschüre angekündigt.

Befragt wurden 267 Pflegefamilien zu 485 Pflegekindern (ca. 0,96% aller Fremdpflegeverhältnisse). Ca. 90% der Angaben wurden für Kinder aus Dauerpflegeverhältnissen gemacht, ca. 75% der Pflegeeltern „waren Mitglied bei PFAD“ und das durchschnittliche Alter der Kinder bei Inpflegegabe war ca. 4½ Jahre. In der Einleitung wird darauf hingewiesen, dass wissenschaftliche Verallgemeinerungen aus den Resultaten unzulässig sind und der Anspruch der Herausgeber folgendermaßen formuliert: „....unter diesen einschränkenden Voraussetzungen bieten die vorliegenden Daten eine hinreichende Grundlage, um wesentliche Aussagen zu den Erfahrungen von Pflegeeltern mit der Umgangsgestaltung der Pflegekinder mit der Herkunftsfamilie treffen und daraus Folgerungen für mögliche Verbesserungen der Umgangsgestaltung ableiten zu können.“ (S.4)

Im Anhang befindet sich der Fragebogen. Neben allgemeinen demografischen Angaben wurden den Pflegeeltern 26 Fragen zu „Erfahrungen mit der Umgangsgestaltung“ gestellt. Die Fragen zum Pflegeverhältnis beschränkten sich auf Angaben zum Alter des Kindes und zur Form der Pflege. Weitergehende Informationen wie z.B. Gründe für die Inpflegegabe, zur Vorgeschichte und Biografie oder zu vorliegenden medizinischen, psychosozialen und psychologischen Diagnosen wurden nicht erhoben. Den Pflegeeltern wurde die Möglichkeit gegeben, Anmerkungen zu den Multiple-Choice-Fragen auf der Rückseite des Fragebogens zu notieren.

Die wichtigsten Resultate sind:

  • ca. 84% der leiblichen Eltern waren umgangsberechtigt, ca. 71% machten davon Gebrauch (zum Zeitpunkt der Erhebung hatten nur ca. 60% der Kinder Kontakt zu den Eltern)
  • ca. 50% der Kontakte wurden von den Pflegeeltern begleitet, ca. 27% durch Fachkräfte des Jugendamtes oder einen freien Träger.
  • ca. 36% der Umgangskontakte wurden „freiwillig“ vereinbart.
  • ca. 60% der Umgangsregelungen wurden „unterbrochen“.
  • Es wird vermutet, dass ca. 75% der Kontakte innerhalb von 4 Jahren Pflegedauer abbrechen, in ca. 56% der Fälle aus Gründen einer „sozial gefährdeten oder desintegrierten Lebenssituation der Umgangsberechtigten“.
  • ca. 30% der Pflegeeltern hatte keine fachliche Vorbereitung und Unterstützung zur Gestaltung der Umgangskontakte.
  • In ca. 30% der Fälle wird die Rücksichtnahme des Jugendamtes auf das Kindeswohl als unbefriedigend und sehr unbefriedigend eingeschätzt.
  • Im Durchschnitt ergab sich für jedes Pflegekind das Risiko im Verlauf der Umgangsregelung ca. 3,9 Belastungen/Störungen/Verhaltensauffälligkeiten in mäßiger bis sehr starker Ausprägung zu entwickeln.

Als Fazit wird formuliert, dass „Besuchskontakte auch für alle positiv sein können“, sowie: „Doch zeigte diese Studie in aller Deutlichkeit auf, dass sich misslingende Besuchskontakte extrem belastend auf die psychosoziale Entwicklung des Pflegekindes und die Qualität seiner wesentlichen Bindungsbeziehungen auswirken und sich zu anhaltenden Belastungen der weiteren kindlichen Entwicklung auswachsen können.“
(S. 10)

Die qualitative Auswertung der Anmerkungen der Pflegeeltern stimmen mit den quantitativen Ergebnissen überein. Aus diesen Schilderungen geht hervor, dass viele Pflegekinder vor der Fremdunterbringung gewalttätigen und suchtkranken Herkunftseltern ausgeliefert waren oder psychisch kranke Eltern haben, Opfer von sexuellem Missbrauch oder Vernachlässigung waren, Angst vor den Eltern hatten oder durch Kontakte retraumatisiert wurden, bzw. traumatisierte Kinder sind. In dem Kapitel „Belastungen/Störungen“ werden eine Fülle von Verhaltensauffälligkeiten der Kinder benannt, die als Reaktion auf Umgangskontakte registriert wurden, bzw. sich in Folge verstärkten. Es wird darauf hingewiesen, dass dieser „.... beschriebene Trend eines Großteils von Kontaktverläufen hin zu schlechteren Entwicklungsbedingungen für die betroffenen Pflegekinder[...] sich hier in einer inakzeptabel hohen Beeinträchtigung der
psychophysisch-sozialen Entwicklungsbedingungen der Kinder mit teilweise bleibenden und sich chronifizierenden Schädigungen [konkretisiert]. (S. 50)

Ein formaler Mangel dieses Berichts sind die im Text fehlenden Hinweise auf die Literaturangaben. Insbesondere wird auch das wichtigste Buch zu Umgangsfragen, das 3. Jahrbuch des Pflegekinderwesens, an keiner Stelle genutzt. Die Lektüre empirischer Untersuchungen ist nicht jedermanns Sache. Die Lesbarkeit wird zusätzlich durch komplizierten Satzbau und fehlende Resümees erschwert.

Die Resultate aber sind insofern wertvoll, als sie zeigen, dass die Lebenssituation sehr vieler Dauerpflegekinder durch Umgangskontakte hoch belastet ist und dass das Jugendamt oft nicht angemessen auf das Kindeswohl eingeht.

Wenn auch wissenschaftlich generalisierbare Aussagen aus dieser Untersuchung wegen mangelnder Repräsentativität nicht zulässig sind, ist sie doch eine wichtige Herausforderung für künftige empirische Forschung.

Christoph Malter (Feb. 2005)

 

 s.a. Umgangskontakte von Pflegekindern mit ihren Herkunftsfamilien

Liste der rezensierten bzw. präsentierten Bücher

 

[AGSP] [Aufgaben / Mitarbeiter] [Aktivitäten] [Veröffentlichungen] [Suchhilfen] [FORUM] [Magazin] [JG 2011 +] [JG 2010] [JG 2009] [JG 2008] [JG 2007] [JG 2006] [JG 2005] [JG 2004] [JG 2003] [JG 2002] [JG 2001] [JG 2000] [Sachgebiete] [Intern] [Buchbestellung] [Kontakte] [Impressum]

[Haftungsausschluss]

[Buchempfehlungen] [zu den Jahrgängen]

Google
  Web www.agsp.de   

 

 

 

 

 

simyo - Einfach mobil telefonieren!

 


 

Google
Web www.agsp.de

 

Anzeigen

 

 

 

 


www.ink-paradies.de  -  Einfach preiswert drucken