FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2004

 


Mark Haddon

Supergute Tage oder die sonderbare Welt des Christopher Boone

Karl Blessing Verlag, 4. Aufl., 2004

(283 Seiten, 18 Euro)

 

Mark Haddon erzählt aus der Perspektive des Jungen Christopher eine außergewöhnliche Kriminalgeschichte eines außergewöhnlichen Jungen. Der Hund der Nachbarin wird im ersten Kapitel, mit einer Mistgabel erstochen, in deren Garten gefunden, und Christopher macht sich auf die Suche nach dem Mörder. Mit detektivischem Scharfsinn verfolgt er die Spuren des Täters. Eingebettet in diese Handlung erfährt der Leser nach und nach, dass Christopher zwar eine hohe Intelligenz, aber im Umgang mit seinen Mitmenschen vielfältige  Kontaktprobleme bietet. In Anbetracht seiner misslichen Situation fällt die Identifikation mit dem Protagonisten leicht: Christopher lebt bei seinem alleinerziehenden und berufstätigen Vater. Seine Mutter hat mit dem Mann der Nachbarin eine Affäre, zieht in die Großstadt und verlässt die Familie. Mit dieser Situation überfordert, belügt ihn der Vater, seine Mutter sei ins Krankenhaus gekommen und dort gestorben. Dass Christopher selbst sich das Ziel gesteckt hat, das Abitur in Mathematik mit einer „Eins“ zu schaffen, wirkt vor seinen intellektuell-logischen Ausführungen einleuchtend, aber irgendwie zweifelt der Leser, denn Christopher ist Sonderschüler. Erkenntnisreich ist seine Selbstanalyse und von großem Einsatz geprägt das verzweifelte Engagement seines überforderten Vaters – ein Textauszug dazu:  

„Die anderen Kinder auf meiner Schule sind alle dumm. Allerdings darf ich das nicht sagen, auch wenn es stimmt. Ich soll sagen, sie hätten Lernschwierigkeiten oder seien aufgrund besonderer Bedürfnisse förderungsbedürftig. Aber das ist Blödsinn. Jeder Mensch hat Lernschwierigkeiten, weil es nun mal schwierig ist, Französisch zu lernen oder die Relativitätstheorie zu verstehen, und jeder Mensch hat besondere Bedürfnisse, wie etwa Vater, der immer ein kleines Päckchen Süßstofftabletten für den Kaffee bei sich hat, damit er nicht zunimmt, oder Mrs. Peters, die ein beigefarbenes Hörgerät braucht, oder Siobhan, die eine Brille mit so dicken Gläsern trägt, dass man Kopfweh kriegt, wenn man sie sich mal ausleiht, und keiner dieser Menschen ist förderungs- oder sonst wie bedürftig.
     Aber Siobhan hat gesagt, wir müssten diese Worte benutzen, weil man Kinder wie die aus unserer Schule früher mal »Spasti« oder »Krüppel« oder »Mongo« genannt habe, und das seien hässliche Wörter. Aber auch das ist dumm, denn manchmal sehen uns die Kinder von der Schule am Ende der Straße, wenn wir aus dem Bus steigen, und dann schreien sie: »Hey, da kommen die besonders Bedürftigen!« Ich achte da nicht weiter drauf, denn ich höre nicht auf das, was andere Leute sagen, es ist mir völlig egal. Ich hab immer mein Schweizer Armeemesser dabei, für den Fall, dass sie mich verprügeln wollen, und wenn ich sie umbringe, wird das als Selbstverteidigung gelten und ich komme nicht ins Gefängnis.
     Ich werde beweisen, dass ich nicht dumm bin. Nächsten Monat werde ich die Abitursprüfung in Mathe ablegen und dafür eine Eins bekommen. An unserer Schule hat noch niemand Abitur gemacht, und die Direktorin, Mrs. Gascoyne, wollte es anfangs auch gar nicht erlauben. Sie sagte, hier an der Schule fehlten dafür einfach die Möglichkeiten. Aber dann hatte Vater Streit mit Mrs. Gascoyne und wurde richtig sauer. Mrs. Gascoyne sagte, ich sollte nicht anders behandelt werden als die anderen, weil sonst nämlich ein so genannter Präzedenzfall geschaffen würde und dann jeder eine Extrawurst wolle. Mein Abitur könne ich doch immer noch später machen, mit 18.
     Ich habe mit Vater in Mrs. Gascoynes Büro gesessen, als sie das gesagt hat. Und Vater hat gemeint: »Finden Sie nicht, dass Christopher schon genügend Scheiße am Hals hat, ohne dass Sie auch noch von oben auf ihn runterkacken? Mein Gott, das ist das Einzige, was er wirklich gut kann!«
     Mrs. Gascoyne schlug vor, Vater und sie sollten darüber mal zu einem späteren Zeitpunkt unter vier Augen reden. Da fragte Vater, ob sie denn Dinge aussprechen wolle, die ihr vor mir peinlich wären, und als sie verneinte, befahl er: »Dann sagen Sie es jetzt.«“
(S. 64f.)

Als Christopher herausfindet, dass sein Vater ihn belogen und Briefe seiner Mutter vorenthalten hatte, vermutet er in ihm auch den Mörder des Hundes. Er verliert das Vertrauen, bekommt es mit überwältigenden Ängsten zu tun und reißt aus. Nun beginnt eine abenteuerliche Reise zu seiner Mutter nach London, die ihn überhaupt nicht erwartet.

Dem Leser wird ein liebenswürdiger Junge mit autistischen Zügen eindrucksvoll präsentiert – und am Ende schafft er sogar sein Abitur in Mathematik. Ein wunderschönes, humorvoll  geschriebenes Buch mit tiefen Wahrheiten über gestörtes Verhalten und verstörte Reaktionen.

Christoph Malter (Nov. 2004)

 

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