FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Nachrichten / Jahrgang 2002

 

Landesweite Untersuchung zu den „Strukturen der Vollzeitpflege“ in Niedersachsen

Dr. Christian Erzberger, GISS, Bremen

 


Die Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e.V. (GISS), Bremen führt im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales und der Stiftung zum Wohl des Pflegekindes, Holzminden von Oktober 2001 bis zum März 2003 eine Untersuchung über die Strukturen der Vollzeitpflege in Niedersachsen durch. Im Mittelpunkt steht dabei zum einen eine Bestandserhebung der Hilfen zur Erziehung nach § 33 KJHG/SGB VIII bei den 63 örtlichen Jugendhilfeträgern und zum anderen die Qualität der vielfältigen Kooperationsbeziehungen zwischen dem jeweiligen Jugendhilfeträger auf der einen Seite und den Pflegepersonen auf der anderen. Ziel der Untersuchung ist es, gemeinsame fachliche Standards in und mit den niedersächsischen Jugendämtern zu erarbeiten.

Damit geraten die vielfältigen Aspekte der institutionellen, personellen und rechtlichen Arrangements der Unterbringung von Kindern in Vollzeitpflege, der Begleitung und Unterstützung der Pflegekinder und der Pflegepersonen und ggf. der Rückführung der Kinder in ihre Herkunftsfamilie oder der Vermittlung eines anderen Sozialisationsortes nach Beendigung eines Pflegeverhältnisses, also kurz: das „Pflegekinderwesen“, in den Blick der Untersuchung. Seinen ersten Sinn hat das Pflegekinderwesen darin, einen Beitrag zum Wohl der in Pflegefamilien untergebrachten Kinder zu leisten. Das bedeutet auf der fachlichen Seite, dass die Organisations- und Finanzmittel sowie die personellen Ressourcen so einzusetzen sind, dass es zu einer Optimierung von Entscheidungsprozessen kommt, die am „Wohl des Kindes“ orientiert sind. Hierfür trägt das jeweilige Jugendamt als zentrale Vermittlungsinstanz die Verantwortung. Auf welche organisatorische Weise und mit welchen fachlichen Orientierungen dem „Wohl des Kindes“ am besten gedient ist, kann in jedem Einzelfall nur Ergebnis von Aushandelungsprozessen zwischen den ein Pflegeverhältnis konstituierenden Personen auf der Suche nach einer besten Lösung oder doch der „am wenigsten schädlichen Alternative“ sein. In dienstleistungstheoretischer Terminologie kann dies als „Koproduktion zum Kindeswohl“ charakterisiert werden. Gemeint ist damit die koordinierte Zusammenarbeit aller am Hilfeprozess beteiligten Institutionen und Personen, deren Zusammenarbeit so gestaltet sein sollte, dass eine entsprechend ausgerichtete Koproduktion zustande kommt. Da die Maßnahmen, die helfen sollen das Wohl des Kindes zu sichern, je nach Einzelfall sehr unterschiedlich sein können (und müssen), setzt dieser Prozess ein hohes Maß an Flexibilität und große Kooperationsbereitschaft bei allen Beteiligten voraus.

Generell soll mit der Untersuchung folgenden Fragen nachgegangen werden:
1. Wie stellt sich die Situation der Vollzeitpflege in Niedersachsen dar?
2. Wie stellt sich der „Koproduktionsprozess zum Kindeswohl“ aus
a. der Sicht des Jugendamts,
b. der Sicht der Pflegepersonen dar?
Gibt es komplementäre Erwartungen, konflikthafte Beziehungen, Verweigerungen, wechselseitige Vorwürfe, die einer befriedigenden „Koproduktion am Kindeswohl“ zuwider laufen?
3. Wie ist der Prozess der Hilfeplanung gestaltet und wird nach den entwickelten Plänen auch gearbeitet?
4. Wie sieht eine funktionierende Struktur der „Koproduktion zum Kindeswohl“ aus? Welches sind ihre Bedingungen, wie kann sie gegebenenfalls organisiert und erzeugt werden?

Diese Fragen sollen anhand einer komparativen Untersuchung unterschiedlich praktizierter Hilfestrukturen beantwortet werden, wobei die Komplexität der Thematik den Einsatz von Untersuchungsinstrumenten unumgänglich macht, mit denen statistisches Material einerseits und individuelle Einstellungen und Einschätzungen andererseits erhoben und verarbeitet werden können. Daher werden standardisierte und offene Verfahren der Datenerhebung parallel eingesetzt.

Deskription des Ist-Zustandes

Eine zentrale Stelle Pflegekinderwesens ist der örtliche Jugendhilfeträger. Hier werden die Hilfepläne erstellt, die jeweiligen Kooperationspartner ausgewählt, der gesamte Prozess gesteuert und begleitet und nur hier laufen alle statistischen Informationen zu diesem Bereich zusammen. Um einen Überblick über die Situation der Vollzeitpflege in Niedersachsen zu gewinnen, wird von Februar bis Mai 2002 zunächst eine standardisierte schriftliche Befragung bei allen 63 örtlichen Jugendhilfeträgern durchgeführt. Die Erhebung umfasst dabei die Themengebiete: erzieherische Hilfen im Jugendamt (Fallzahlen und Aufwendungen nach Leistungsarten usw.), Organisation der Pflegekinderarbeit (Fallzahlen je Mitarbeiter/Mitarbeiterin, Zuständigkeitsregelungen usw.), Praxis der Pflegekinderarbeit (z.B. konzeptionelle Rahmenbedingungen), Praxis von Hilfekonferenzen (Teilnehmer, Verantwortlichkeiten usw.) und Informationen zur Bewerbersituation und zu den Angeboten für Pflegefamilien.

In einem zweiten Schritt werden die diversen Kooperationsbeziehungen und -weisen zwischen den Jugendhilfeträgern und den Durchführenden der Vollzeitpflege im Zentrum der Untersuchung stehen.

Kooperationsbeziehungen und -weisen

Das Verhältnis von Pflegefamilien und örtlichem Jugendhilfeträger wird in vier möglichst unterschiedlichen Regionen untersucht. Die Auswahl dieser Gebiete geschieht auf der Grundlage der Ergebnisse der standardisierten Befragung des Ist-Zustandes.

Aufseiten der vier beteiligten Jugendämter werden ab Juli 2002 offene persönliche Interviews mit Personen auf der Leitungs- und der Praktikerebene geführt. Inhaltlich zeigt diese Befragung eine große Nähe zu der standardisierten Erhebung, jedoch kann durch diese Experteninterviews die Thematik wesentlich gezielter und umfassender aufgeschlüsselt und der Betrachtung und Analyse zugänglich gemacht werden. Die Themen sind hier Fragen nach der Organisation und der praktischen Durchführung des Hilfeprozesses (z.B. die Rolle und Bedeutung des Pflegekinderwesens im Jugendamt), die Praxis der Hilfeplanung, die Entscheidungsgrundlagen für das „matching“ von Pflegekind und Pflegefamilie und praktizierte konzeptionelle Momente in der Pflegekinderarbeit (z.B. Werbung von Pflegeeltern, Auswahl, Vorbereitung, Betreuung, Beratung).

Auf der Seite der Pflegeeltern bzw. der Pflegepersonen werden zunächst über eine standardisierte schriftliche Befragung Informationen zur Dauer des Aufenthaltes der Pflegekinder, deren Alter, der Kooperation mit dem Jugendamt (Beteiligung an der Hilfeplanung, Betreuung, Unterstützung usw.), den Elternkontakten von Pflegekind und Pflegepersonen, der Motivation zur Übernahme der Pflegeelternschaft und zu positiven und negativen Aspekten des Pflegeverhältnisses erhoben. Anschließend werden diese Themen noch mit 20 ausgewählten Pflegefamilien bzw. Pflegepersonen über offene persönliche Interviews näher beleuchtet, sodass individuelle Einschätzungen und Einstellungen eingefangen werden können. Dieser Teil der Untersuchung wird voraussichtlich ab September 2002 durchgeführt.

Die Ergebnisse aller Untersuchungsteile werden im Januar auf einem Fachtag präsentiert und sollen dort diskutiert werden. Dieses Diskussionsforum ist Teil der Untersuchung und die dort gegebenen Hinweise und Interpretationen hinsichtlich der Ergebnisse fließen in das Gesamtergebnis mit ein.

Wie aus der Kurzbeschreibung der Untersuchung hervorgeht, wird ab September 2002 eine ganze Reihe von Pflegepersonen und Pflegefamilien gebeten werden, sich an der Untersuchung zu beteiligen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass das durchführende Institut – die Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e.V. (GISS) – unabhängig ist und damit auch die Verschwiegenheit von Angaben und Informationen seitens der Pflegepersonen garantiert. Darüber hinaus ist die Einhaltung der Datenschutzvorschriften selbstverständlich.

Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich bitte an:

Dr. Christian Erzberger
Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e.V.
Kohlhökerstraße 22
28203 Bremen
Tel.: 0421 / 334 70 86
Fax:: 0421 / 339 88 35
e-mail:
giss-bremen@t-online.de
(März 2002)

 

 

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