FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Nachrichten / Jahrgang 2001

 

„Pflegefamilien im rechtlichen Spannungsfeld“
Tagungsbericht

Birgit Nabert, Christoph Malter (Nov. 2001)

 

Die Fachtagung 2001 des seit 10 Jahren bestehenden Landesverbandes der Pflege- und Adoptivfamilien in Schleswig-Holstein e.V. wurde in Kooperation mit dem Kreisjugendamt Rendsburg/Eckernförde und dem dort seit 25 Jahren ansässigen Pflegeelternverein organisiert. Getagt wurde in den Räumen des Jugendamtes. Teilnehmer waren viele Pflegeeltern aus unterschiedlichen Kreisen Schleswig-Holsteins, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Behörden sowie die kurzfristig angereiste Referentin des PFAD-Bundesverbandes, Elisabeth Veith.

Die Landesvorsitzende (Birgit Nabert), der Amtsleiter des Jugendamtes Rendsburg (Norbert Schmidt) und Frau Berger vom Landesjugendamt (LJA) Kiel eröffneten das Programm. In ihrer Begrüßungsrede bedankte sich Frau Berger vom LJA bei allen Pflege- und Adoptiveltern für deren Einsatz und Engagement. Sie betonte den ehrenamtlichen Charakter der wichtigen erzieherischen Arbeit, und erläuterte die gestiegenen Anforderungen an Pflege- und Adoptivfamilien vor den gesetzlichen Neuerungen aus dem SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz - KJHG). Besonders die Zusammenarbeit mit Herkunftseltern im Interesse der Kinder sei wichtig und unerlässlich. Im Gegensatz zu Adoptivkindern „können Pflegekinder jederzeit auch nach 10 Jahren der Pflege zu ihren leiblichen Eltern zurückgeführt werden“.

Welche Aufgaben hat das Jugendamt?

Im ersten Referat trugen eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter des Jugend- und Sozialdienstes Rendsburg-Eckernförde (Herr Merkel, Frau Rudolf) vor, welche Aufgaben das Jugendamt hat. Anhand praktischer Fallbeispiele aus dem Alltag des Jugendamtes wurde erläutert, wie das Jugendamt auf Krisen- und Notsituationen von Kindern aufmerksam gemacht wird, wie unterschiedlich die an sie herangetragenen Problembeschreibungen sich aus verschiedenen Blickwinkeln heraus betrachtet zeigen (des Kindes, der Mutter, des Jugendamtes usw.), und, wie pädagogische Hilfen und Interventionen im Rahmen der gemeinsamen Erarbeitung eines Hilfeplanes einsetzen. Dabei setze das SGB VIII den rechtlichen Rahmen, den es einzuhalten gelte.

Die anschließenden Diskussionen in den moderierten Arbeitsgruppen brachten eine Vielzahl von erheblichen Defiziten bei der Betreuung von Pflege- und Adoptiveltern zu Tage: diese müssen eine Vielzahl von Problemen ohne Unterstützung und alleine bewältigen, wie z.B. fehlender Krankenversicherungsschutz von Pflegekindern, sie erhielten nur mangelhafte Unterstützung von der Schule oder müssten gar gegen diese arbeiten, es gäbe Zuständigkeitsprobleme, zu wenig entlastende Angebote und nicht genügend therapeutische Hilfen für die Kinder u.v.a.m. Besonders belastend war für 4 Familien die Zustellung von Steuerbescheiden der Finanzämter verbunden mit der Forderung von Steuernachzahlungen in fünfstelliger Höhe. Begründet wurde diese überraschende Forderung damit, dass die vom Jugendamt gezahlte Aufwandsentschädigung als Einkommen zu versteuern sei. Hier vertritt die Oberfinanzdirektion des Landes eine andere Auffassung als der familienfreundlichere Bundesfinanzhof, der 1984 Pflegegelder für grundsätzlich steuerfrei erklärte. In 2 Fällen konnte das Jugendamt vermittelnd helfen, und eine Rücknahme der Steuerforderung zugunsten der betroffenen Pflegefamilien erreichen. Eine Entscheidung im dritten Fall steht noch aus. Hier berät der Landesverband die betroffene Familie. Im vierten uns bekannten Fall gibt es nach Aussage einer Behördenmitarbeiterin einen rechtskräftigen Bescheid zu Ungunsten der Pflegefamilie. Frau Veith vom PFAD-Bundesverband bestätigte, dass viele der vorgetragenen Probleme typische und bundesweit bekannte seien. Fazit eines langjährigen Pflegevaters war, dass sich seit 1972 nichts geändert habe“, in Bezug auf die unbewältigten Probleme, worunter besonders schwer misshandelte, in früher Kindheit vernachlässigte und traumatisierte Kinder litten.

Wie arbeiten Familiengerichte?

Im folgenden Referat von Richter Bruhn vom Familiengericht Rendsburg stellte dieser dar, dass es im Gegensatz zu den Ausführungen des Jugendamtes auch Rechte gäbe, die sich aus dem BGB und dem Grundgesetz ableiten ließen. Insbesondere mahnte er das Jugendamt zur Erfüllung seines Wächteramtes. Er referierte viele praktische Beispiele aus seinem Alltag, und erörterte die gerichtlichen Eingriffsmöglichkeiten in das Personensorgerecht. Neue Aufgaben ergäben sich aus der jüngsten Gesetzgebung. Kinder seien an den Verfahren aktiver zu beteiligen, z.B. durch die Bestellung des Verfahrenspflegers für das Kind. Dies begrüßte er hoffnungsvoll, weil Kinder beispielsweise vom Gericht regelmäßig zu hören seien. In seinem Gericht gäbe es dazu einen vorbereiteten „Spielraum“, so dass bereits 4-jährige geladen werden könnten. Relativiert wurde sein Optimismus durch die Kritik an einigen Oberlandgerichten, die sehr „bürgerfern“ entschieden, und diese Neuregelungen oftmals gesetzeswidrig nicht zur Anwendung brächten. In seinem Bereich sei die Kooperation aber gut. Es gäbe auch schon Fortbildungskurse für Richter mit Themen wie „Deutsch für Juristen“, damit diese lernten sich den Bürgern verständlich mitzuteilen. Bestätigt sah er die neuen Verfahrensweisen durch soziologische Längsschnittstudien an Scheidungskindern, und machte auf die verheerenden langfristigen und negativen Folgen für Kinder aufmerksam, die dann entstünden, „wenn über Kinder hinweg Entscheidungen getroffen würden“.

In den anschließenden Arbeitsgruppen konnten viele Fragen von Pflegeeltern zu ihren Rechten beantwortet werden. Diese zeigten sich oftmals überrascht, weil sie sehr sachkundig zu speziellen Problemen informiert werden konnten. Es stellte sich heraus, dass ein Großteil der Kinder aus Pflegefamilien früher misshandelt, vernachlässigt oder missbraucht wurden, verbunden mit der Frage, ob die Anliegen von diesen Pflegekindern ausreichend berücksichtigt würden. Die besonderen Anliegen von Pflege- und Adoptiveltern wurden im Anschlussreferat beleuchtet.

Wie kommen Pflegeeltern zu ihrem Recht?

Rechtsanwältin Ulrike Edelhoff-Bohnhardt, die in ihrer Rechtsanwaltspraxis viele Pflegeeltern vertritt, konnte viele Ausführungen des Vorredners bestätigen. Sie begrüßte ebenfalls die gesetzlichen Neuregelungen im Kindschaftsrecht, wie z.B. das Recht des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung. Sie kritisierte aber die Durchführungsschwächen und die oftmals mangelhafte Umsetzung in die Praxis, wobei Kommunalpolitiker lokale gesetzgeberische Interessen oftmals gegen das Kindeswohl durchsetzten, und somit mitverantwortlich seien. Die Planung der Bedarfssituation durch die Jugendhilfeausschüsse sei wegen der allgemeinen Finanzknappheit vielfach nicht adäquat. Viele spezielle Einzelfragen konnten auch hier im Anschluss bearbeitet werden. Frau Edelhoff-Bohnhardt betonte die Notwendigkeit juristischer Auseinandersetzungen im Interesse von Kindern in vielen Fällen.

Fazit:

Entgegen der dem PFAD Landesverband aus mittlerweile 8 von 11 Landkreisen vorliegenden Stellungnahmen der Jugendhilfeausschüsse besteht in Schleswig-Holstein landesweit ein Bedarf an praktischer Unterstützung für Pflege- und Adoptiveltern, der von den vorhandenen Sozialdiensten nicht abgedeckt wird, und bei dem derzeitigen Personalschlüssel auch nicht abgedeckt werden kann. Darüber hinaus registrierten wir Ausbildungsdefizite in allen Disziplinen und oftmals fehlendes Verständnis für die besondere Situation von Pflege- und Adoptivkindern.

Ausblick:

Die nächste Fachtagung wollen wir mit verstärkter Unterstützung durch den PFAD-Bundesverband, die Stiftung zum Wohl des Pflegekindes und die Deutschen Liga für das Kind mit dem Ziel durchführen, wichtige Aufklärungsarbeit zu Kindesentwicklung, der besonderen Situation von Pflege- und Adoptivkindern sowie Folgen von Misshandlung, Missbrauch und Vernachlässigung durchführen. Über die Kooperation mit einem Jugendamt/Jugendämtern sowie dem Landesjugendamt würden wir uns sehr freuen. Gespräche dazu werden geführt.

Parallel dazu möchten wir erreichen, dass sich die Situation von Pflege- und Adoptivkindern im Land Schleswig-Holstein nachhaltig verbessert, und Pflege- und Adoptiveltern kompetentere Unterstützung und vermehrt praktische Hilfe bekommen. Dazu wollen wir dem Landesjugendamt einen Projektvorschlag unterbreiten, der auf den neuesten Erkenntnissen basiert, wie sie z.B. im 2. Jahrbuch des Pflegekinderwesens vorgetragen und z.T. sogar empirisch belegt wurden.

 

 

[AGSP] [Aufgaben / Mitarbeiter] [Aktivitäten] [Veröffentlichungen] [Suchhilfen] [FORUM] [Magazin] [JG 2011 +] [JG 2010] [JG 2009] [JG 2008] [JG 2007] [JG 2006] [JG 2005] [JG 2004] [JG 2003] [JG 2002] [JG 2001] [JG 2000] [Sachgebiete] [Intern] [Buchbestellung] [Kontakte] [Impressum]

[Haftungsausschluss]

[Buchempfehlungen] [zu den Jahrgängen]

Google
  Web www.agsp.de   

 

 

 

 

 

simyo - Einfach mobil telefonieren!

 


 

Google
Web www.agsp.de

 

Anzeigen

 

 

 

 


www.ink-paradies.de  -  Einfach preiswert drucken