FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2003

 

Ausführungsvorschriften über Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege
Stellungnahme zum
Entwurf vom 22.10.2002
- adressiert an den Petitionsausschuß des Abgeordnetenhauses -

von Dipl. Sozpäd. K. P.
und Dipl. Sozpäd. D. P.

 

zu o. g. Entwurf möchten wir Stellung nehmen. Wir sind Diplom-Sozialpädagogen und leben seit 6 Jahren mit derzeit drei behinderten Pflegekindern. Diese drei behinderten Kinder sind in unsere Familie gegeben worden, weil wir beide uns ausschließlich diesen Kindern widmen wollten. Wir haben unser Leben im Wesentlichen auf diese Kinder eingestellt., d. h. wir haben auf eine Karriere "außer Haus" zugunsten der Pflegekinder verzichtet und leben hauptsächlich von dem Erziehungsgeld. Ausserdem haben wir drei eigene Kinder. Von dem Entwurf und den beabsichtigten Änderungen fühlen wir uns tief getroffen und ein weiteres Mal in unserer schweren Arbeit nicht gewürdigt und bezüglich unserer Zukunftsperspektive mit unseren Kindern bedroht.

Der neue Entwurf enthält einige Verbesserungen für das Pflegekinderwesen, dennoch möchten wir als Pflegeeltern auf folgende Kritikpunkte an dem Entwurf dringend hinweisen:

Wir halten es für nicht praktikabel, die Erziehungsgelder der bestehenden „heilpädagogischen Pflegestellen“ (stufenweise) herabzusetzen. Die bestehenden Pflegeverhältnisse müssen Vertrauensschutz geniessen. Es gibt viele Pflegefamilien, die das Leben mit ihren behinderten Pflegekindern als ihre Arbeit betrachten und existentiell von den Erziehungsgeldern abhängig sind. Für die meisten dieser Menschen ist eine Rückkehr in ihren Beruf aufgrund ihrer Lebensplanung , die im Vertrauen auf die Beibehaltung der Voraussetzungen, die zum Zeitpunkt der Aufnahme der Kinder galten, entworfen wurde, nicht mehr möglich. Es werden größere Wohnungen, Häuser bewohnt, um den aufgenommenen Kindern Wohnraum zu bieten; es werden größere Autos gefahren, um die Kinder zu den Therapien zu fahren etc. Das gesamte Leben ist auf die Pflegekinder und deren Behinderungen abgestimmt. Die Existenz dieser Familien ist bei Umsetzung dieses Entwurfes gefährdet!

Viele Pflegefamilien wären zu dem nun geplanten Erziehungsgeldbetrag nicht bereit gewesen, ein behindertes Kind aufzunehmen. Nun wird damit kalkuliert, dass Bindungen entstanden sind und Verantwortungsgefühle und Liebe die Pflegeeltern hindern werden, die Konsequenzen zu ziehen, die jeder andere an dieser Stelle in einem normalen Arbeitsverhältnis ziehen würde. Die meisten Pflegeeltern werden versuchen, "irgendwie durchzukommen". Doch was bedeutet es, wenn Menschen, die so eine schwierige Aufgabe übernommen haben und oft am Rande ihrer Auslastung stehen, nun als Folge der geplanten Einsparungen kleineren, beengteren Wohnraum beziehen, auf gemeinsamen Urlaub verzichten müssen, die private Altersvorsorge und die wenigen freien Abende einsparen oder aber zusätzlich mehr arbeiten gehen müssen? Wird dies auf Dauer tragbar sein? Werden diese Familien weiterhin allen anderen Anforderungen gerecht werden können? Werden sie auseinanderbrechen oder wird ein Wunder geschehen?

Ist es nicht so, dass heilpädagogische Pflegestellen bisher nicht schon vieles vom Erziehungsgeld zahlten, was fehlte? Familien mit behinderten Pflegekindern haben oft einen enorm hohen finanziellen Aufwand, der schon durch die noch geltenden Kostensätze nicht gedeckt wird: So findet beispielsweise der Zerstörungszwang einiger verhaltensgestörter Kinder keine Berücksichtigung (hier entstehen oft Kosten i. H. v. bis zu mehreren Hundert Euro pro Monat!). Die oft emotional stark beanspruchten Familien haben keinen Anspruch auf Urlaub, freie Wochenenden oder freie Abende, manchmal nicht einmal ruhige Nächte: Für kleine Erholungsfreiräume müssen sie aus eigener Tasche Babysitterkosten aufbringen. - Ebenso natürlich für ihre Altersvorsorge.

Verbesserungsvorschläge hinsichtlich dieser Probleme werden im aktuellen Entwurf vermisst. Stattdessen sollen die bestehenden Erziehungsgelder gekürzt werden.

Bedenkt man nun zusätzlich, dass der geplante finanzielle Unterschied zwischen „behindertem“ und „nichtbehindertem“ Pflegekind bei 250 Euro monatlich liegt, so können wir uns nicht vorstellen, dass sich noch hochqualifizierte Pflegeeltern (die wissen, was sie erwartet) für behinderte Pflegekinder finden lassen. Heimkosten jedoch übersteigen die bisherigen Kosten einer heilpädagogischen Pflegestelle bei weitem. So wird auch bezweifelt, dass auf diese Weise langfristig Kosten eingespart werden können.

Ein wesentlicher zu kritisierender Punkt in dem neuen Entwurf ist die regelmässige gutachterliche Überprüfung hinsichtlich eines Fortbestehens des erweiterten Förderbedarfs. Es wird bezweifelt, dass diese Vorgehensweise Pflegeeltern motiviert und sie positiv bestärkt, ihre Pflegekinder optimal zu fördern. Unter diesen Umständen zu „arbeiten“, können wir uns nicht vorstellen: Sollten wir unsere Pflegekinder gut fördern, sodass sie sich evtl. auch gut entwickelten, so wird unsere Arbeit mit Kürzung des Erziehungsgeldes beantwortet?! Nicht bedacht wird hierbei wohl die Unruhe und Unsicherheit, die durch eine solche Vorgehensweise in eine Pflegefamilie gebracht wird. Wird nicht bedacht, dass Pflegekinder meist schon in ihre Entwicklung beeinträchtigender Unsicherheit aufwachsen, was ihren Verbleib betrifft? – Dass auch die Pflegepersonen mit dieser Unsicherheit leben müssen? Pflegeeltern sowie Pflegekinder und auch leibliche Kinder einer Pflegefamilie müssen mit vielen Unsicherheiten und Schwierigkeiten leben lernen, die sich nicht vermeiden lassen, weil sie bspw. aus den natürlichen und rechtlichen Voraussetzungen einer Fremdunterbringung resultieren. Weshalb jedoch müssen weitere Unsicherheiten geschaffen werden?

Wir denken und befürchten, dass dieser Entwurf viele Pflegeeltern behinderter Pflegekinder dazu bringen wird, ihre "Tätigkeit" (zumindest langfristig) aufgeben zu müssen und dass es unter den geplanten Voraussetzungen schwierig sein wird, behinderte Kinder zukünftig in Pflegefamilien unterzubringen. Ist Heimunterbringung wirklich für alle Kinder die geeignete Alternative?

Desweiteren halten wir es für erforderlich, dass bei der Festlegung, wieviele (behinderte) Pflegekinder in einer Familie leben dürfen, unterschieden wird, ob sich eine oder zwei qualifizierte Pflegepersonen der Erziehung der Pflegekinder widmen (hierfür bspw. nur Teilzeit arbeiten oder ganz Zuhause sind).

Wir fordern:

    • Beibehaltung des bisherigen Erziehungsgeldes für bestehende heilpädagogische Pflegeverhältnisse;
    • Beibehaltung des bisherigen Erziehungsgeldes für neue heilpädagogische Pflegeverhältnisse;
    • Keine gutachterlichen Überprüfungen (mit drohender Herabsetzung des Erziehungsgeldes);
    • Kostenübernahme für Kinderbetreuung;
    • Rentenbeiträge für Pflegepersonen;
    • Differenzierung bei Maßstäben für die Inpflegegabe auch nach Anzahl der qualifizierten Pflegepersonen in einer Pflegestelle.

Februar 2003

 

 

 

[AGSP] [Aufgaben / Mitarbeiter] [Aktivitäten] [Veröffentlichungen] [Suchhilfen] [FORUM] [Magazin] [JG 2011 +] [JG 2010] [JG 2009] [JG 2008] [JG 2007] [JG 2006] [JG 2005] [JG 2004] [JG 2003] [JG 2002] [JG 2001] [JG 2000] [Sachgebiete] [Intern] [Buchbestellung] [Kontakte] [Impressum]

[Haftungsausschluss]

[Buchempfehlungen] [zu den Jahrgängen]

Google
  Web www.agsp.de   

 

 

 

 

 

simyo - Einfach mobil telefonieren!

 


 

Google
Web www.agsp.de

 

Anzeigen

 

 

 

 


www.ink-paradies.de  -  Einfach preiswert drucken