FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2006

 

Interview in der Welt am Sonntag am 17. Dez. 2006

"Sozialarbeiter entziehen sich"

Psychologe: Behörden stellen Wohl der Eltern
über Wohl der Kinder

 

PROFESSOR KURT EBERHARD ist Entwicklungspsychologe und Psychotherapeut in Berlin. Mit seiner Frau - einer Juristin - hat er vor 30 Jahren eine Arbeitsgemeinschaft gegründet, die zurzeit 25 Pflegefamilien mit mißhandelten Kindern betreut. Zudem erstellt er Gutachten für Familiengerichte.

Welt am Sonntag: Warum verwahrlosen in Deutschland Kinder?
Kurt Eberhard: Ihre Eltern haben meist nicht gelernt, wie man die Bedürfnisse von Kindern erkennt und einfühlsam damit umgeht. Oft, weil sie selbst nicht geliebt wurden.

Können die Behörden in solchen Fällen denn nicht helfen?
Eberhard: Unser Jugendhilfesystem funktioniert sehr gut, solange Eltern in der Lage sind, sich Hilfe zu holen und umzusetzen. Die 'aufsuchende Hilfe', also etwa Hausbesuche nach der Geburt, diskutiert man immerhin gerade wieder. Völlig unzureichend ist die 'eingreifende Hilfe'. Heute wagt es kaum jemand, rechtzeitig festzustellen, wenn Eltern trotz ambulanter Hilfen nicht in der Lage sind, ihre Kinder aufzuziehen. Früher konnten die Jugendämter selbst ein Kind aus einer Familie nehmen, heute braucht man dazu einen richterlichen Beschluss.

Was kritisieren Sie an den Richtern?
Eberhard: Immer mehr Richter urteilen sehr elternorientiert, und viele Sozialarbeiter sind geneigt, dem zu folgen.

Was machen Sozialarbeiter falsch?
Eberhard: Sozialarbeiter sehen ihre Rolle eher als Berater und vernachlässigen dann ihr gesetzliches Wächteramt. Jeder Bademeister muß beides leisten: helfen und notfalls eingreifen. Viele Sozialarbeiter entziehen sich dieser unbequemen Doppelrolle. Sie und auch die Familienrichter behandeln Verwahrlosungsfälle oft ähnlich wie Scheidungsfamilien. Nach dem Motto: Eine schlechte Familie ist immer noch besser als ein Heim. Bei Verwahrlosung ist das aber falsch.

Haben Scheidung und Vernachlässigung unterschiedliche Folgen?
Eberhard: Es ist nachgewiesen, dass Vernachlässigung bei Kindern zu tiefgreifenden Hirnschäden führt. Es werden zu viele vernachlässigte Kinder bei ihren Eltern gelassen oder wieder zurückgeschickt, obwohl die Kontinuität der Bindungen in Pflegefamilien therapeutisch notwendig ist.

Können Pflegefamilien denn besser sein als Heime?
Eberhard: Ja. Im Heim können Erzieher zu Kindern zwar gute Beziehungen aufbauen, aber keine familiären Dauerbindungen wie in einer Pflegefamilie. Diese sind übrigens auch kostengünstiger, sie kosten nur etwa halb soviel wie ein Heimplatz.

Interview: Uta Keseling

 

 

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