FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2005

 

Vom moralischen Dilemma Pflegeeltern
und Hartz IV- Empfänger zu sein

 

Zur persönlichen Situation: Wir leben mit unserem leiblichen Sohn und zwei Pflegetöchtern – alle drei  im Kindergartenalter – in dörflicher Umgebung in Thüringen.

Bei der hohen Arbeitslosigkeit in unserer Region und dem Alter der drei Kinder hoffe ich glaubwürdig rüber bringen zu können, dass unsere Armut nicht auf „Faulheit oder sonstigem Selbstverschulden“ beruht.

Nachdem wir also seit Januar 2005 Arbeitslosengeld II – Empfänger wurden, mussten wir unsere Kosten und sonstigen Ausgaben genauster privater Prüfungen auf  Notwendigkeit unterziehen.

Von Amtswegen ergaben sich auch Berechnungen über Pro-Kopf-Verbrauch und Kosten z.B. für Wohnung und Heizung, da wir mit den Pflegekindern aus amtlicher Sicht ja keine Bedarfsgemeinschaft bilden.

Z. B. sind die Berechnung der Wohn- u. Heizkosten nach den anfallenden Kosten nur für drei Personen, also Eltern mit einem Kind, zu erstellen, da sämtliche Kosten für die Deckung des Lebensunterhaltes über das Pflegegeld abgegolten werden.

Hier beginnt für uns das moralische Dilemma, denn die Lebenshaltungskostensätze des Jugendamtes werden viel großzügiger berechnet, als die des leiblichen Kindes der arbeitslosenhilfebedürftigen Pflegeeltern.

Zu Beachten ist dabei auch die Verpflichtung des Gesetzgebers, Pflegegeld nur für die Pflegekinder und nicht zur Deckung eigener Kosten zu verwenden.

Wie sollen wir nun aber den unterschiedlichen Einkommensgrößen innerhalb einer Familie gerecht werden? Als Familie verstehen wir uns jedenfalls und das ist ja wohl auch so gewünscht, sonst gäbe es ja mit dem Jugendamt ein sozialversichertes Arbeitsverhältnis zur Pflege der Kinder.

Kleines Rechenbeispiel:

Kosten unserer Familie für Wohn- u. Heizkosten inkl. Wasser, Abwasser u. Müll

Pro Person:                            148,80 Euro                 

gesamt x fünf:                         744,00 Euro

Amt zahlt für drei:                    425,00 Euro

Bleiben                                  319,00 Euro,

die über das Pflegegeld gedeckt werden müssten.

Das entspräche pro Pflegekind dann aber 159,50 Euro - das sind 10,70 Euro mehr als der Pro-Kopf-Verbrauch zu gleichen Teilen.

Erklärung dazu: das Amt zahlt nicht die tatsächlich anfallenden Heizkosten, es zieht 18% für die Herstellung von warmen Wasser ab.

Fazit: warm duschen oder baden dürfen nur die Pflegekinder, denn die haben es ja bezahlt!!

Auch die sonstige Berechnung des Bedarfs zum Lebensunterhalt zeigt deutliche Differenzen zwischen leiblichen und Pflegekindern auf.

Pflegekindersatz ohne Kosten der Erziehung, da diese (nach den aktuellen Durchführungsbestimmungen des Amtes für Arbeit) als Einkommen verrechnet werden und nicht dem Kind zur Verfügung stehen:

Vollzeitpflege:                                                              385,00 Euro

Abzug für Wohn- u. Heizkosten, wie oben ermittelt            -159,50 Euro

Zum Leben und für Kleidung usw. bleiben:                         225,50 Euro

Lebenshaltungssatz AA für ein Kind:                                  199,00 Euro

Fazit: Pflegekinder haben monatlich 26,00 Euro mehr zur Verfügung als leibliche Kinder der Pflegeeltern. Schwimmbadbesuch, Geschenke oder sonstige EXTRAS nur für Pflegekinder.

Bedeutet das, dass Pflegekinder weniger brauchen, wenn andere Kinder mit weniger zurecht kommen können?

Immerhin haben Pflegekinder in Hartz IV- Familien auch noch den Einkommensnachteil, dass ihr Kindergeld – diesmal genau wie das der leiblichen Kinder, als Einkommen der Pflegeeltern vom Amt für Arbeit verrechnet, das heißt einbehalten wird.

Hier ist eine zusätzliche Ungleichbehandlung zu Kindern, die nicht in Hartz IV – Familien leben brauchen.

Fazit: Der Bedarf der Kinder darf unterschiedlich sein!

Wie sollen wir nun als Familie mit diesem „Einkommensgefälle“ umgehen?

Da das Amt von der unterschiedlichen Berechnung des Lebensbedarfs weiß, uns aber verpflichtet, das Einkommen der Pflegekinder ausschließlich ihnen zukommen zu lassen, wäre hier entweder großer Beratungsbedarf zur praktischen Umsetzung im Alltag von Nöten, oder das Amt duldet Veruntreuung von Pflegegeldern zur Deckung des Eigenbedarfs der Pflegefamilie.

Groteske Abhilfe würde ja schaffen, wenn man von Hartz IV – Empfängern die Pflegekinder anderweitig neu vermittelt (positiv formuliert, um nicht zu schreiben, wegnimmt). Arme kommen ja, egal wie angagiert und sozial eingestellt sie sind sicherlich in Zukunft sowieso nicht als Pflegeeltern in Betracht.

Unser Fazit: Kindeswohl wird hier zu Kindeswehe! Egal ob Pflege- oder leibliches- Kind.

Wir persönlich wollen keinen Unterschied in der Versorgung, Zuwendung und Zuneigung zu unseren Kindern machen. Doch dabei bewegen wir uns unseres Wissens auf illegalem Boden mit Duldung des Staates, oder....?

Sven und Ramona Fitzner

 

 

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