FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2004

 

Weiterentwickelte Empfehlungen
des Deutschen Vereins
zur Vollzeitpflege / Verwandtenpflege
(Teil 2)

DV 07/02/04-AF II
26.2.2004

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4. Kooperation und Organisation in der Vollzeitpflege
4.1. Verhältnis und Kooperation zwischen freien, öffentlichen und privat-gewerblichen Anbietern
4.1.1. Grundsätzliches zur Kooperation
4.1.2. Rechtliche Bewertung
4.2. Orientierungsrahmen für die Organisation
4.2.1. Aufgabenstellung
4.2.2. Modelle der Aufgabenorganisation
4.2.3. Gewichtungsfaktoren

5. Steuerung des Hilfeprozesses - Hilfeplanung
5.1. Beteiligte
5.2. Dokumentation der Hilfeplanung: Hilfeplan
5.2.1. Kooperation
5.2.2. Lebensperspektiven
5.3. Überprüfung des Hilfeplans

6. Gestaltung des Hilfeprozesses
6.1. Werbung, Erstinformation und Suche nach geeigneten Pflegeeltern
6.2. Qualifizierung von Bewerberinnen/Bewerbern, individuelle Vorbereitung und Eignungsfeststellung
6.3. Die allgemeine Vorbereitung der Inpflegegabe
6.4. Der Vermittlungsprozess
6.5. Die Anbahnung des Pflegeverhältnisses
6.6. Der Beginn des Pflegeverhältnisses
6.7. Die Begleitung laufender Pflegeverhältnisse
6.7.1. Arbeit mit dem Pflegekind
6.7.2. Arbeit mit der Herkunftsfamilie
6.7.3. Arbeit mit der Pflegefamilie
6.7.4. Kontakt- und Umgangsregelungen
6.8. Die Beendigung von Pflegeverhältnissen
6.8.1. Allgemeine Empfehlungen zur Gestaltung von Beendigungsprozessen
6.8.2. Empfehlungen zur Beurteilung und Gestaltung von Rückführungen

7. Sorgerechtliche Aspekte
7.1. Ausgestaltung der sorgerechtlichen Beziehungen bei „freiwilliger“ Inpflegegabe
7.1.1. Gesetzliche Befugnis nach § 1688 BGB
7.1.2. Richterliche Gestaltung nach § 1630 Abs. 3 BGB
7.2. Mögliche zivilrechtliche Folgen bei länger dauernder Vollzeitpflege (Verbleibensanordnung)
7.3. Vollzeitpflege in Folge familiengerichtlicher Sorgerechtsbeschränkung

8. Besondere Aspekte
8.1. Soziale Absicherung der Pflegeeltern
8.2. Risikoabsicherungen für Pflegekinder und Pflegeeltern
8.3. Datenschutz

 

4. Kooperation und Organisation in der Vollzeitpflege
4.1 Verhältnis und Kooperation zwischen freien, öffentlichen und privatgewerblichen Anbietern
4.1.1 Grundsätzliches zur Kooperation

Das Engagement freier Träger und deren partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe gehört zu den Charakteristika der Jugendhilfe in Deutschland. Die Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Wertorientierungen, inhaltlicher Zielsetzungen, Methoden und Arbeitsformen ist ein Strukturprinzip der Jugendhilfe. Ein plurales Angebot erzieherischer Leistungen ist die Voraussetzung für die Ausübung des Wunsch- und Wahlrechts und der Berücksichtigung individueller Erziehungsziele der Eltern.

In den letzten Jahren hat sich die Trägerlandschaft allerdings stark gewandelt. Über Jahrzehnte waren es freigemeinnützige, zum großen Teil weltanschaulich profilierte Organisationen, die sich auf diesem Feld engagierten. Inzwischen engagieren sich, vor allem im Bereich der erzieherischen Hilfen, immer stärker auch privatgewerbliche Träger. Wie in anderen Feldern staatlicher Sozialleistungen werden auch in der Jugendhilfe zunehmend fachliche Dienste aus den behördlichen Strukturen ausgegliedert und Fachkräfte freiberuflich tätig. Diese Entwicklung wird durch verschiedene Faktoren begünstigt. So erlangt insbesondere der Einsatz der Entgeltfinanzierung anstelle der Förderungsfinanzierung in der Praxis eine immer größere Bedeutung und damit die Einführung von Wettbewerbselementen in das Recht der Leistungserbringung.

Der Blick in die Praxis zeigt unterschiedliche Organisations- und Kooperationsformen zwischen freien und öffentlichen Trägern, so zum Beispiel:

  • Wahrnehmung des Pflegekinderdienstes für eine Kommune bzw. einen Landkreis durch einen freien Träger;
  • Angebot eines Pflegekinderdienstes durch freie und öffentliche Träger;
  • Pflegekinderdienstverbund von verschiedenen freien Trägern und öffentlichem Träger;
  • Wahrnehmung spezieller Aufgaben durch freie Träger für den Pflegekinderdienst des öffentlichen Trägers, z.B. Begleitung von Besuchskontakten, Öffentlichkeits- oder Schulungsarbeit.

Solche Entwicklungen machen eine Neubestimmung des Verhältnisses von öffentlichen zu freien und privatgewerblichen Trägern, insbesondere auch zur rechtlichen Bestimmung von Möglichkeiten und Grenzen der Aufgabenübertragung erforderlich. Da die Qualität und der Erfolg des Hilfeprozesses sehr wesentlich mit einer gelingenden Kooperation zwischen den Trägern verbunden ist, ist dies auch im Interesse einer Optimierung von Kooperationsbeziehungen geboten.

4.1.2 Rechtliche Bewertung

Im Leistungserbringungsrecht wird unterschieden zwischen der Entscheidung über die Leistungsgewährung einschließlich der Steuerung des Hilfeprozesses einerseits und der Leistungserbringung andererseits. Bei der Vollzeitpflege erfolgt die Leistungserbringung in erster Linie durch die Pflegepersonen (Pflegeeltern). Deren Tätigkeit wird allerdings gestützt und flankiert durch verschiedene Leistungselemente, wie z.B. die Vermittlung des Kindes, die Beratung der Herkunfts- und der Pflegeeltern und den Schutz des Kindeswohls in der Pflegefamilie.

Die Entscheidung über die Gewährung der geeigneten und notwendigen Hilfe zur Erziehung und die verantwortliche Steuerung des Hilfeprozesses auf der Grundlage einer Prognose über die Hilfeperspektive ist Aufgabe des Jugendamts bzw. seiner sozialen Dienste. Weitere Elemente der Gesamtleistung ( wie z.B. Vermittlung, Beratung und „Aufsicht“) können durch nichtstaatliche Leistungsanbieter erbracht werden. Dies setzt jedoch entsprechende Vereinbarungen und – im Hinblick auf die Steuerungsverantwortung – eine enge Kooperation mit dem Jugendamt voraus.

Wenn die Aufgaben des Pflegekinderdienstes vom Jugendamt übernommen werden, ist zu beachten, dass in solchen Konstellationen der Träger der öffentlichen Jugendhilfe in zwei unterschiedlichen Funktionen tätig wird: in der Funktion des Leistungsgewährers, der die Verantwortung für den Hilfeplanungsprozess hat, und in der Funktion des Leistungserbringers, der die sozialpädagogischen Beratungs- und Unterstützungsaufgaben für die einzelnen Beteiligten (Pflegekind, Pflegeeltern, Herkunftseltern) realisiert. Zwischen beiden Funktionen bestehen Unterschiede, die möglicherweise auch Spannungen beinhalten. Es muss organisatorisch sichergestellt sein, dass beide Funktionen im Jugendamt differenziert wahrgenommen werden.

  • Die Vermittlung von Pflegeeltern kann von einem nichtstaatlichen Leistungserbringer übernommen werden, die Letztentscheidung darüber, ob die vermittelte Pflegeperson den Hilfebedarf erfüllt und damit die Grenzen des Wahlrechts eingehalten werden, verbleibt aber beim Träger der öffentlichen Jugendhilfe.
  • Die Begleitung und Förderung des Hilfeprozesses durch Arbeit mit den Herkunftseltern, die Beratung der Pflegeeltern/Pflegeperson sowie die Vermittlung zwischen Pflegeeltern und Herkunftseltern kann ebenfalls durch nichtstaatliche Leistungserbringer übernommen werden. Handlungsgrundlagen sind dabei die Feststellungen im Hilfeplan. Durch Vereinbarungen ist der Leistungserbringer zu verpflichten, über seine Aktivitäten regelmäßig in den Hilfeplankonferenzen zu berichten. Nehmen Pflegepersonen die Beratung eines freien Trägers in Anspruch, so können sie sich nicht auf das Wahlrecht (§ 5 SGB VIII) berufen, da sie nicht Leistungsberechtigte (im Hinblick auf die Gesamtleistung „Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege“) sind. Eine Übernahme der entstandenen Kosten ist nur möglich, wenn der freie Träger vom Jugendamt mit der Leistungserbringung betraut worden ist.
  • Entsprechendes gilt – bei einer geplanten Beendigung der Hilfe – für die Rückführung des Kindes in die Herkunftsfamilie und/oder die Vermittlung von Anschlusshilfen bzw. die Vorbereitung einer (rechtlichen) Absicherung des Aufenthalts in der Pflegefamilie. Die rechtliche Absicherung des Aufenthalts des Kindes in der Pflegefamilie bleibt allerdings dem Familiengericht überlassen, so dass nichtstaatliche Leistungsanbieter insoweit in gerichtlichen Verfahren nach Maßgabe von § 76 SGB VIII und auf der Grundlage der aktuellen Hilfeplanung agieren könnten.
  • Erteilung der Pflegeerlaubnis nach § 44 SGB VIII, die weder für die Verwandtenpflege noch für die Betreuung im Rahmen von Hilfe zur Erziehung notwendig ist (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB VIII), ist dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe vorbehalten. Eine Mitwirkung freier Träger bei der Erlaubniserteilung, der örtlichen Prüfung oder der Zurücknahme der Erlaubnis ist für nichtstaatliche Organisationen in § 76 SGB VIII nicht vorgesehen.
  • In der Sache gilt dies auch für die Befugnis des Jugendamts zur Überprüfung der Pflegestelle nach § 37 Abs. 3 SGB VIII, die zwar systematisch in die Erbringung der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege eingebettet ist, ihrer Natur nach aber Interventionscharakter hat und als Ausprägung des staatlichen Wächteramts aufzufassen ist. In der Praxis wird diese Aufgabe jedoch regelmäßig in der Weise erfüllt, dass das Jugendamt mit der Pflegefamilie regelmäßige Besuche vereinbart. Die Wahrnehmung solcher „vereinbarter“ Kontrollen kann aber ohne Weiteres auch durch nichtstaatliche Leistungserbringer erfolgen. Diese sind allerdings vertraglich dazu zu verpflichten, die Ergebnisse ihrer Besuche in die Hilfeplankonferenz einzubringen bzw. in den Fällen, in denen sich Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung ergeben, unverzüglich das Jugendamt zu informieren, damit dieses ggf. notwendige Schritte, wie Inobhutnahme bzw. Anrufung des Familiengerichts einleiten kann.

4.2 Orientierungsrahmen für die Organisation
4.2.1 Aufgabenstellung

Pflegeverhältnisse sind wegen der Beteiligung zweier Familiensysteme und unterschiedlicher Interessen und Erwartungen besonders sensibel und konfliktanfällig. Dabei besteht die Gefahr, dass Konflikte zwischen den Eltern immer wieder auf die Handlungsebene zum Kind durchschlagen. Der Hilfealltag vollzieht sich im privaten Raum der Familie. Pflegeeltern müssen diesen Alltag – meist ohne fachliche Ausbildung und ohne fachlichen Austausch – weitgehend allein bewältigen und sollen Wege der Kooperation mit den Herkunftseltern finden. Für die Erfüllung des Hilfeauftrags in diesem familiären Rahmen bedeutet dies, dass mit dem Kind als aktivem Protagonisten und zwei Elternsystemen zu arbeiten ist – und zwar in mehrfacher Hinsicht:

  • einmal, indem beide Elternsysteme für ein gemeinsames Hilfekonzept und dessen Umsetzung zu gewinnen sind,
  • zum anderen, indem für Eltern und Pflegeeltern Beratung und Unterstützung bei der Bewältigung ihrer spezifischen Aufgaben geleistet werden müssen und
  • schließlich, indem Wege der Konfliktschlichtung und des Ausgleichs zwischen beiden (rivalisierenden) Elternsystemen gefunden werden müssen.

Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind verpflichtet, die Pflegeeltern – gerade wegen ihrer institutionellen Unabhängigkeit – zu unterstützen.

4.2.2 Modelle der Aufgabenorganisation

Zur Bewältigung dieser Anforderungen werden unterschiedliche Modelle der Aufgabenorganisation diskutiert und praktiziert (z.B. Trennung der Arbeit mit der Herkunftsfamilie von der mit der Pflegefamilie, Beteiligung freier Träger). Da die Entscheidung für ein bestimmtes Modell in die Organisationsgewalt des jeweiligen Jugendamts fällt, enthält das Gesetz dazu keine Aussagen. Wer den Fokus auf die Parteinahme für Eltern bzw. Pflegeeltern richtet, wird eine personelle und organisatorische Trennung befürworten, muss dann aber auch auf die Frage Antwort geben, wer dann für das Pflegekind Partei ergreift. Wer den Fokus auf die Interessen des Kindes richtet und diesen die Interessen der Herkunftseltern und der Pflegeeltern nachordnet, der wird stärker für einen Dienst plädieren, der das gesamte Pflegeverhältnis mit all’ seinen Facetten begleitet und unterstützt. Dann müssen allerdings Rolle und Funktion der in diesem Dienst tätigen Fachkräfte klar bestimmt werden. Wenn die Interessen des Kindes Leitlinie für die Organisation sind, ist der zweitgenannten Variante der Vorzug zu geben. In jedem Fall bedarf es einer gemeinsamen Konzeption als Arbeitsgrundlage und der Verpflichtung auf die Umsetzung des Hilfeplans.

4.2.3 Gewichtungsfaktoren

Die fachlichen Anforderungen, denen Fachkräfte in den sozialen Diensten im Hinblick auf Kinder in Vollzeitpflege gerecht werden sollen, haben auch unmittelbare Folgen für die (personelle) Ausstattung der sozialen Dienste. Eine zielgerichtete Steuerung des Hilfeprozesses, wie sie den §§ 27, 33, 36, 37 SGB VIII zugrunde liegt, ist zeitaufwendig. Hinzu kommen Zeitanteile für die Beratung der Herkunftsfamilie und die Beratung der Pflegefamilie. Besonders zeitaufwendig ist die Elternarbeit – unabhängig davon, ob die Rückkehroption oder die Verbleibensoption Grundlage des Hilfeprozesses ist.

Die einzelnen „Module“ der Gesamtleistung „Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege“ können bei einem sozialen Dienst konzentriert oder auf verschiedene Dienste bzw. auf freie Träger verlagert sein. Richtwerte für eine angemessene Betreuung von Pflegefamilien müssen im Rahmen eines Aushandlungsprozesses zwischen den Trägern der Jugendhilfe festgelegt werden.

Wegen der besonderen Bedingungen der Vollzeitpflege muss die insgesamt einzusetzende Personalkapazität jedoch deutlich höher sein als für die Steuerung und Begleitung von Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung. Dabei wird zu differenzieren sein

  • zwischen fachlichen Anforderungen zur Umsetzung einer Rückkehrperspektive, die im Hinblick auf das kindliche Zeitempfinden zeitlich konzentrierte, intensive Elternarbeit zur Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie sowie die Vorbereitung und Begleitung der Rückführung des Kindes verlangt,
  • und fachlichen Anforderungen zur Begleitung eines Pflegeverhältnisses, das einvernehmlich oder gestützt auf eine gerichtliche Entscheidung auf den Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie ausgerichtet ist.

5. Steuerung des Hilfeprozesses – Hilfeplanung

Auf der Grundlage der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII schreibt der Gesetzgeber für alle Hilfen zur Erziehung nach § 27 SGB VIII ein verbindlich geregeltes Hilfeverfahren vor. Daher ist hier dieses Verfahren mit den Besonderheiten der Vollzeitpflege detailliert beschrieben.

Im Gesetz wird ein von sämtlichen Beteiligten gemeinsam zu gestaltender Hilfeprozess umschrieben, dem eine umfassende Beratung der Leistungsadressaten vorausgeht, der bei längerfristigen Hilfen durch kollegiale Beratung fachlich stimuliert wird und der aufgrund einer gemeinsamen Klärung der Lebenssituation und einer Verständigung über die weiteren Schritte zeit- und zielgerichtet ausgestaltet und in einem Hilfeplan dokumentiert wird.

Sowohl die Herbeiführung einer Entscheidung mit Unterstützung eines Teams bezüglich der konkreten Hilfeauswahl als auch die Aufstellung eines Hilfeplans setzen voraus, dass die jeweilige Hilfe „voraussichtlich für längere Zeit“ zu leisten ist. Vor dem Hintergrund sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse zum kindlichen Zeitempfinden scheidet eine Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs „voraussichtlich für längere Zeit“ im Sinne allgemein gültiger, absoluter Zeiträume aus. Da die einzelnen Hilfearten sich in ihrer Intensität der Einflussnahme auf die betreffende Familie und auch zeitlichen Veranlagung unterscheiden, erscheint es aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten, die Bestimmung des Zeitraumes sowohl an der individuellen Hilfe als auch am Alter des Kindes auszurichten.

Hilfen außerhalb der Herkunftsfamilie (§§ 33, 34, 35 SGB VIII) stellen intensive, in die private Lebenssphäre der betreffenden Familie stark einwirkende Maßnahmen dar, die oft einige Jahre dauern. Diese Hilfeformen sind deshalb grundsätzlich als „längerfristig“ im Sinne von § 36 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zu betrachten.

Ist auch nach einer an individueller Hilfeform und Alter des Kindes ausgerichteten Abwägung noch unklar, ob eine Hilfe „für längere Zeit“ zu bejahen ist, so muss im Zweifel stets ein Hilfeplan erstellt werden. Denn trotz des hierfür erforderlichen personellen und zeitlichen Aufwandes kann durch frühestmögliche Vorbereitungen für eine zeit- und zielgerichtete Intervention die Gefahr fehlender Transparenz und Koordinierung und damit eines wesentlichen größeren Zeitverlustes vermieden werden.

5.1 Beteiligte

  • Von grundlegender Bedeutung für die Hilfeplanung ist die Beteiligung der personensorgeberechtigten Eltern. Diese sind nicht nur leistungsberechtigt nach § 27 SGB VIII, sondern auch Zieladressaten der Erziehungshilfen für ihre Kinder. Denn Hilfe zur Erziehung soll sie in ihrer grundrechtlich geschützten Erziehungsverantwortung unterstützen und in die Lage versetzen, diese gegenüber ihren Kindern wahrzunehmen.
  • Als andere Personensorgeberechtigte (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII) sind anstelle der Eltern der Vormund (§ 1793 BGB) und der Pfleger (§ 1909 BGB ) zu beteiligen. Der dem Pfleger vom Gericht übertragene Wirkungskreis muss allerdings das Recht, Hilfe zur Erziehung zu beantragen sowie bei der Hilfeplanung mitzuwirken, umfassen. Er nimmt dann bei der Mitwirkung und Beteiligung im Hilfeplanungsverfahren die Position der sorgeberechtigten Eltern ein. Dies gilt auch für Pflegepersonen, denen das Familiengericht Angelegenheiten der elterlichen Sorge nach § 1630 Abs. 3 BGB auch insoweit übertragen hat. Ansonsten beschränkt sich deren Beteiligungsstatus auf § 36 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII.
  • § 36 SGB VIII sieht zwar eine Beteiligung nicht sorgeberechtigter Eltern nicht explizit vor. Dennoch sollten Eltern, denen das Sorgerecht entzogen ist, in die Hilfeplanung einbezogen werden. Dies kann aus sozialpädagogischen Gründen zur Aufrechterhaltung der Eltern-Kind-Beziehung oder im Hinblick auf eine mögliche Rückkehroption in die Herkunftsfamilie und Rückübertragung des elterlichen Sorgerechts geboten sein, insbesondere im Hinblick auf die Kooperationspflichten nach § 37 Abs. 1 SGB VIII.
  • Kinder und Jugendliche sind, obwohl bei Hilfe zur Erziehung nicht leistungsberechtigt, als Leistungsempfänger am Hilfeprozess zu beteiligen. Dies bestimmt grundsätzlich bereits § 8 Abs. 1 SGB VIII und wird in § 36 SGB VIII konkretisiert. Die Interessenwahrnehmung des Kindes/Jugendlichen muss im Mittelpunkt stehen, weil seine Lebenssituation bei allen Hilfen, insbesondere aber bei Hilfen außerhalb der eigenen Familie, am gravierendsten von allen Beteiligten betroffen ist. So ist das Kind bzw. der Jugendliche entsprechend seinem Alters- und Entwicklungsstand zu beteiligen und gegebenenfalls zur Mitwirkung zu motivieren.
  • Gemäß § 36 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII sind weiterhin diejenigen an der Aufstellung und Fortschreibung des Hilfeplans zu beteiligen, die die Hilfe erbringen sollen. Im Rahmen der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege sind hier die Pflegepersonen sowie die freien und öffentlichen Träger angesprochen, die die Vermittlung, Beratung, Begleitung der Pflegefamilien übernommen haben. Die Einbeziehung der Pflegepersonen in die Hilfeplanung ermöglicht zum einen eine exaktere Beurteilung der Eignung der in Betracht gezogenen Hilfeform, weil die mit der Durchführung Befassten ihre auf Sachnähe basierenden Kenntnisse und Erfahrungen einbringen und so Bedingungen und Leistungsmerkmale der betreffenden Hilfeart Betroffenen wie Fachkräften verdeutlichen können. Im Rahmen der Fortschreibung des Hilfeplans liefern sie die für eine Überprüfung der weiteren Tragfähigkeit der gewählten Hilfe notwendigen Informationen über die Entwicklung des Kindes bzw. Jugendlichen. Zum anderen werden die konkreten Verhältnisse am Ort der Hilfedurchführung erörtert. Dadurch werden die einzelnen, von der Hilfe umfassten Leistungen und Maßnahmen veranschaulicht und können im Hilfeplan genau benannt werden. Im Hinblick auf die Erreichung von Teil- und Gesamtzielen ist die Aussage der Pflegepersonen im Rahmen der Hilfeplanfortschreibung unerlässlich, da nur zusammen mit ihnen die Effektivität der gewählten Strategie beurteilt werden kann.
  • Wird eine erzieherische Hilfe bei einer seelischen Behinderung nach § 35 a SGB VIII in Rahmen der Vollzeitpflege geleistet, so ist die Hinzuziehung eines Arztes, der über besondere Erfahrungen in der Hilfe für behinderte Kinder und Jugendliche verfügt (Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie oder Kinderarzt mit möglichst sozialpädiatrischer Erfahrung) gemäß § 36 Abs. 3 SGB VIII erforderlich.

5.2 Dokumentation der Hilfeplanung: Hilfeplan

Unter Beiziehung der fachlichen Empfehlungen der Teamberatung stellt die fallzuständige Fachkraft zusammen mit den Betroffenen gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII im Rahmen eines so genannten „Hilfeplangesprächs“ den Hilfeplan auf.

Der Hilfeplan soll Feststellungen über den Bedarf, die zu gewährende Art der Hilfe sowie die notwendigen Leistungen enthalten.

Aus der Intention des Hilfeplans als Instrument der Selbstkontrolle und Koordinierung sowie als Grundlage einer zeit- und zielgerichteten Intervention ergibt sich weiterhin, dass die genannten Feststellungen umfassend im Hilfeplan zu begründen sind und auch Zielperspektiven, zeitliche Schritte und Überprüfungsfristen festgelegt werden müssen. Darüber hinaus verlangt die gesetzlich vorgeschriebenen Partizipation der Betroffenen an der Hilfeplanaufstellung wie an der gesamten Hilfeplanung, dass der Hilfeplan als Entscheidungsgrundlage und Richtschnur für die Durchführung der Hilfe die Dokumentation dieses Beteiligungsprozesses beinhaltet.

Insbesondere bei Hilfen in Vollzeitpflege bedarf eine kontinuierliche Hilfeplanung einer einzelfallorientierten Koordination des Hilfeverlaufs verbunden mit begleitender Beratung und Unterstützung der Eltern, des Kindes/Jugendlichen sowie der Pflegeeltern. Diesem Erfordernis tragen die Regelungen des § 37 SGB VIII Rechnung, die sich mit Aufgaben der Jugendhilfe während der Durchführung von Hilfen außerhalb der eigenen Familie befassen und deshalb im Hilfeplan Beachtung finden müssen.

5.2.1  Kooperation

Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII soll das Jugendamt darauf hinwirken, während der Hilfedurchführung die Kooperation von Eltern und Pflegepersonen zu fördern, zu unterstützen und zu begleiten.

Das Zusammenarbeitsgebot bezieht sich jedoch nicht nur auf diese Personen, sondern auch auf Kinder und Jugendliche. Dies ergibt sich sowohl aus ihrer Beteiligung an Hilfeplanaufstellung (§ 36 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII) und -durchführung als auch aus dem allgemeinen Beteiligungsgebot gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Darüber hinaus kommt auch die Einbeziehung von Personen in Betracht, die Funktionen sozialer Elternschaft ausüben, weil es in § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nicht um die Sicherung von Rechtspositionen Personensorgeberechtigter, sondern um die Pflege von Kontakten zu den wesentlichsten Bezugspersonen geht.

Die Art und Weise der Zusammenarbeit muss im Hilfeplan niedergelegt werden. Diese hängt maßgeblich von der ebenfalls im Hilfeplan festzulegenden Veranschlagung der Hilfe als vorläufig oder dauerhaft ab.

Die Zusammenarbeit mit den Eltern kann in die Zuständigkeit der Einrichtungen freier Träger delegiert werden. Auch dies ist im Hilfeplan zu regeln. Allerdings besteht die Verantwortung des Jugendamtes, dem Kooperationsgebot Rechnung zu tragen, auch bei einer solchen Übertragung fort.

5.2.2  Lebensperspektiven

Von besonderer Bedeutung sind bei Hilfen außerhalb der Herkunftsfamilie exakte Zielvorgaben.

Ist die Vollzeitpflege auf kurze Zeit angelegt, muss die alsbaldige Rückkehr des Kindes in seine Familie forciert werden.

Im Hinblick auf § 37 Abs. 1 Satz 2, 3 und 4 SGB VIII bedarf es ausführlicher Erläuterungen zu den an Eltern und Kind gestellten Erwartungen als Rückkehrvoraussetzungen sowie zum Handlungsprogramm, das zur Veränderung der Entwicklungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb eines für das Kind bzw. den Jugendlichen vertretbaren Zeitraums führen soll.

Die für die Rückkehroption im Einzelfall maßgebliche Zeitspanne ist festzulegen. Hierbei ist auf individuelle Lösungen der unterschiedlichen Einzelfälle ausgerichtet am jeweiligen Kindeswohl und nicht auf den Zeitablauf als solchen im Sinne einer „Entscheidungsautomatik“ abzustellen. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, wann das Kind den leiblichen Eltern entfremdet ist und es in der Pflegefamilie seine Bezugswelt gefunden hat. Eine entscheidende Rolle spielen hier wiederum die Besonderheiten des kindlichen Zeitempfindens. Bei einem Kind bis zu drei Jahren sollte die Suche nach dauerhaften Alternativen beginnen, wenn nicht innerhalb eines Jahres eine gesicherte Rückkehr in die Herkunftsfamilie gelingt. Bei einem über dreijährigen Kind, das bis zur Fremdplatzierung im Elternhaus gelebt hat, sollte nach dauerhaften Alternativen erst dann gesucht werden, wenn trotz Bemühungen die Rückkehroption nicht innerhalb von 18 Monaten realisiert werden konnte.

Neben den Indikatoren Alter des Kindes und Fremdunterbringungsdauer können weitere Kriterien von Bedeutung sein. Für das Bindungsverhalten eines Kindes spielt beispielsweise eine zentrale Rolle, ob es in der Vergangenheit von häufig wechselnden Bezugspersonen oder fast ausschließlich von seinen leiblichen Eltern betreut wurde.

Wenn die Refunktionalisierung der Herkunftsfamilie von vornherein nicht erreichbar erscheint oder innerhalb des maßgeblichen Zeitraums nicht gelingt, ist die Erarbeitung von auf Dauer angelegten Lebensperspektiven(vgl. § 37 Abs. 1 Satz 4 SGB VIII) im Hilfeplan zu fixieren, wobei die Kontinuität der Erziehungssituation gewahrt bleiben sollte. Eine dauerhafte Lebensperspektive kann in der Adoption durch die Pflegeeltern oder ausnahmsweise auch durch andere Personen liegen. In Betracht kommt auch eine dauerhafte Inpflegegabe nach § 33 SGB VIII.

Die Aufklärung der Betroffenen über die Risiken einer Hilfeform außerhalb der Herkunftsfamilie für die Eltern-Kind-Beziehung ist zu dokumentieren. Sorgerechtliche Befugnisse sind zu regeln. Kontaktfragen bzw. Besuchsmodalitäten müssen geklärt werden.

Dies gilt auch bei einem Sorgerechtsentzug. Denn auch wenn die Eltern nicht davon überzeugt werden konnten, dass sie ihrer Verantwortung durch Zustimmung zu einem dauerhaften Verbleib des Kindes außerhalb des Elternhauses am besten gerecht werden, und deshalb ein gerichtlicher Sorgerechtseingriff (vgl. §§ 1666, 1666 a BGB) erfolgt ist, erscheint die Aufrechterhaltung der Beziehungen zur Herkunftsfamilie im Hinblick auf das gegenseitige Umgangsrecht nach § 1684 Abs. 1 BGB – sofern mit dem Kindeswohl vereinbar – geboten.

5.3 Überprüfung des Hilfeplans

Da zum einen sozialpädagogische Entscheidungen aufgrund ihrer strukturellen Unsicherheit stets nur Hypothesen tastenden Charakters darstellen und zum anderen das Hilfegeschehen als dynamischer, prozesshafter Ablauf eine Entwicklung ursprünglicher Situationen und damit die Veränderung von Zielvorgaben und Zeitbezügen beinhaltet, hat das Jugendamt im Regelfall nach § 36 Abs. 2 Satz 2, letzter Halbsatz SGB VIII regelmäßig zu überprüfen, ob die gewährte Hilfeart weiterhin geeignet und notwendig ist.

Diese Frage muss im Rahmen einer verlaufsorientierten Fortschreibung des Hilfeplans von der zuständigen Fachkraft des Jugendamtes gemeinsam mit den Betroffenen, den Pflegepersonen und der Fachkraft des freien Trägers unter Beiziehung des fachlichen Beratungsteams erörtert werden.

Auf der Grundlage des Hilfeplans ist zu prüfen, ob sich die ursprünglichen Annahmen als tragfähig erwiesen haben, in welcher Weise die realisierte Hilfeform sich ausgewirkt hat, ob neue Ziele und Aufgaben für die Beteiligten formuliert werden müssen und ob eine andere Erziehungshilfe eingeleitet werden muss.

Dies erfordert zunächst eine umfassende Beschreibung der zum Überprüfungszeitpunkt gegebenen Situation aus der Sicht aller am Hilfegeschehen Beteiligten. Gemeinsam bewerten diese dann den bisherigen Hilfeverlauf dahingehend, ob die Entwicklung des Hilfegeschehens zu einer Änderung des im Hilfeplan niedergelegten erzieherischen Bedarfs geführt hat, ob neue Gesamt- bzw. Teilziele und Zeitbezüge formuliert werden müssen oder ob zur Erlangung der nach wie vor als tragfähig beurteilten Zielvorgaben eine andere Handlungsstrategie, sei es in Form einer anderen Hilfe zur Erziehung oder anderer bzw. weiterer Leistungen im Rahmen der gewährten Hilfeform, zu bestimmen ist.

Der Hilfeplan ist den von den Beteiligten erarbeiteten Überprüfungsergebnissen entsprechend fortzuschreiben und hat die partizipative Gestaltung des Überprüfungsvorgangs zu dokumentieren.

Die Überprüfungsfristen sind zu Beginn eines Hilfeprozesses grundsätzlich kurz zu bemessen. Zeiträume von vier bis höchstens acht Wochen erscheinen angemessen, weil sich die Tragfähigkeit getroffener Entscheidungen häufig erst nach Einleitung der gewählten Hilfe zeigt und Probleme auftreten können, die eine Modifikation des Hilfeplans erfordern. In späteren Prozessphasen können längere Fristen von drei bis höchstens sechs Monaten bestimmt werden. Allerdings muss hierbei stets den Erkenntnissen um die Besonderheiten des kindlichen Zeitempfindens, der jeweiligen Hilfeform sowie den Zielvorgaben des Hilfeplans Rechnung getragen werden. So sind bei Hilfen außerhalb der Herkunftsfamilie besonders bei jüngeren Kindern kürzere Fristen zu bemessen.

6. Gestaltung des Hilfeprozesses

Dieses Kapitel befasst sich mit den verschiedenen Stadien der Arbeit von Pflegekinderdiensten in öffentlicher und freier Trägerschaft von der Werbung, vorbereitenden Qualifizierung von Pflegepersonen und der allgemeinen Vorbereitung von Herkunftsfamilien und Kindern über die begleitende Beratung bis hin zur Beendigung eines Pflegeverhältnisses.

Eingeleitet werden die Empfehlungen jeweils mit einem die Richtung andeutenden Leitgedanken.

6.1 Werbung und Erstinformation und die Suche nach geeigneten Pflegepersonen

Ungeachtet dessen, dass die besten Werbeträger zufriedene Pflegefamilien sind, kommt ein modernes Pflegekinderwesen nicht ohne gezielte Werbemaßnahmen aus. In spezifischen Fällen kann es hierbei auch um die gezielte Suche nach geeigneten Personen für ein spezielles Kind gehen. Eine bedeutsame Weichenstellung geht häufig von der Erstinformation aus, die Anfragende und Interessierte erhalten.

  • Allgemeine Werbemaßnahmen sollten gemäß örtlichen Gegebenheiten und zur Kostenreduzierung ggf. im Verbund benachbarter Jugendämter und etablierter Pflegeelterngruppen geplant und durchgeführt werden. Hierbei empfiehlt es sich, sich möglichst vielfältiger Werbeträger zu bedienen. Neben allgemeiner Streuwerbung sollten Werbemittel auch gezielt eingesetzt werden, so etwa durch Auslage an Orten, in denen gehäuft potentielle Bewerbergruppen anzutreffen sind (z.B. Kinderarztpraktiken, Familienbildungsseminare).
  • Jeder Werbemaßnahme sollte eine konkrete Bedarfsanalyse vor Ort vorausgehen; das Werbematerial auf den konkreten Bedarf abgestimmt sein. Vermieden werden sollten Werbemaßnahmen, die ein verfälschendes Bild über die tatsächlich zu vermittelnden Kinder zeichnen.
  • Ein bewährtes Werbemittel sind allgemeine Informationsveranstaltungen, in denen Pflegeeltern (ggf. aus verschiedenen Pflegeformen) zu Wort kommen und über ihre Erfahrungen berichten. Auch Informationsveranstaltungen sollten ein realistisches Bild über tatsächliche Bedarfe und die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort zeichnen.
  • Eine besondere Bedeutung kommt persönlichen, schriftlichen oder telefonischen Erstanfragen von potentiellen Bewerberinnen und Bewerbern zu. Die Erstreaktion des Amtes kann die weitere Verfolgung eines zunächst noch vorläufigen Gedankens entweder verstärken oder entmutigen. Zu empfehlen ist, Anfragende zuverlässig und rasch mit Informationsmaterialien zu versorgen und ihnen gezielt ein Gespräch anzubieten.
  • Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, Pflegeeltern für ein sonst nicht oder nur schwer zu vermittelndes Kind über eine öffentliche Werbung zu suchen. Zu diesem Mittel sollte allerdings, immer mit strikter Wahrung schützenswerter Daten des Kindes und seiner Angehörigen, nur in besonderen Fällen gegriffen werden.
  • Die Suche nach Pflegepersonen für ein Kind aus dessen sozialen Nahraum, ein gezieltes „homefinding“, ist immer dann anzustreben, wenn der Erhalt von Bezügen zum bisherigen Umfeld dringlich geboten ist und dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entspricht. Erfahrungen belegen, dass bei Anwendung gezielter Methoden wie Netzwerkanalysen, Arbeit mit Sozio- und Genogrammen und Familienkonferenzen, in nicht unerheblichem Maße geeignete Personen aus dem sozialen Umfeld gefunden werden können.

6.2 Qualifizierung von Bewerberinnen und Bewerbern, individuelle Vorbereitung und Eignungsfeststellung

Zur qualifizierten Durchführung der erzieherischen Hilfe benötigen Pflegepersonen bei der erstmaligen Bewerbung um ein Pflegekind bzw. bei Aufnahme eines Kindes aus dem sozialen Nahraum einer Schulung und gezielten individuellen Vorbereitung. Während Schulungen den Bewerberinnen und Bewerbern Gelegenheit geben sollen, sich mit den allgemeinen Gegebenheiten des Pflegekinderwesens vertraut zu machen und diese in Gruppengesprächen zu reflektieren, dient die individuelle Vorbereitung der Reflexion der spezifischen familiären und persönlichen Bedingungen für die Aufnahme eines Pflegekindes. Insgesamt sollte der Schulungs- und vorbereitende Beratungsprozess die Bewerberinnen und Bewerber dazu befähigen, die Bewerbung noch einmal zu reflektieren und eine Entscheidung darüber zu treffen, ob sie weiterhin die Aufnahme eines Pflegekindes wünschen. Sie sollten auch in die Lage versetzt werden, sich mit den eigenen Bedürfnissen, Motiven und Kompetenzen auseinander zu setzen und sich begründet für eine zu ihnen „passende“ Pflegeform zu entscheiden.

  • In formellen vorbereitenden Schulungsmaßnahmen sollten die Bewerberinnen und Bewerber folgende Informationen erhalten:
    über die gesetzlichen Rahmenbedingungen; über ihre Rechte und Pflichten und über die Rechte und Pflichten der Personensorgeberechtigten; über die Voraussetzungen einer Adoption, der Übernahme einer Vormundschaft; über die Funktion von Hilfekonferenzen und über ihre Mitwirkungsmöglichkeiten in ihnen; über die finanziellen Angelegenheiten und versicherte Risiken sowie über die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt. Zu spezifischen Pflegeformen sind zusätzliche aufbauende Qualifizierungen wünschenswert.
  • Der Vorbereitungsprozess sollte auch folgende am Vorwissen der Pflegepersonen orientierte Informationen umfassen:
    über die besonderen Sozialisationsprobleme von Pflegekindern; über den „Signalcharakter“ von „Verhaltensstörungen“; über Verarbeitungsformen traumatischer Erlebnisse und über Bindungsformen und Bindungsstörungen.
  • Anzustreben ist, in die Qualifizierung von Bewerberinnen und Bewerbern erfahrene Pflegepersonen einzubeziehen.
  • Unabdingbare Voraussetzung des persönlichen Vorbereitungs- und Abklärungsprozesses ist mindestens ein Hausbesuch in Anwesenheit aller Familienmitglieder, gefolgt von mehreren Einzelgesprächen mit den Bewerberinnen und Bewerbern. Ein besonderer Wert sollte auch darauf gelegt werden, mit den eigenen Kindern von Bewerbern die Bedeutung der Aufnahme eines Pflegekindes zu besprechen.
  • Als Mindeststandards für die Abklärung sollten gelten:
    die Abklärung der Motivation für die Aufnahme eines oder des speziellen Kindes; die Abklärung erwartbarer Konsequenzen auf die Familiendynamik nach Aufnahme eines Pflegekindes; die Abklärung der Bereitschaft mit dem Jugendamt und dem freien Träger zu kooperieren; die Abklärung der Bereitschaft sich auf eine ungewisse Situation einzulassen und die Herkunftsfamilie des Kindes als Teil der Biographie des Kindes zu akzeptieren. Von Bedeutung ist auch die Auseinandersetzung mit der Frage, ob es den potentiellen Pflegeeltern möglich sein wird, sich mit ungewohnten, fremden und möglicherweise den eigenen Wertvorstellungen zuwider laufenden Verhaltens- und Reaktionsweisen des Kindes und seiner Angehörigen auseinander zu setzen.
  • Die Ergebnisse der vorbereitenden Beratungsgespräche bzw. der Eignungsprüfung sollten in einem schriftlichen Bericht zusammengefasst werden. Die Gründe für die Entscheidung sind festzuhalten. Bei der Feststellung der Nichteignung ist das Bewerbungsverfahren offiziell zu beenden.

6.3 Die allgemeine Vorbereitung der Inpflegegabe

Wie die Pflegeeltern benötigen auch das Pflegekind – seinem Alter und Entwicklungsstand entsprechend – sowie seine Angehörigen eine allgemeine Vorbereitung auf die Inpflegegabe. Dies ist nicht nur rechtlich (§ 36 Abs. 1, Satz 1; § 5 SGB VIII) verpflichtend geboten, sondern liegt auch im Interesse einer gedeihlichen Zusammenarbeit aller am Pflegeverhältnis Beteiligten.

  • In Hilfeplangesprächen sollen – entsprechend Alter und Entwicklungsstand – mit dem Kind selbst, mit den leiblichen Eltern – auch im Falle eingeschränkter elterlicher Rechte – sowie mit den Betreuungspersonen des Kindes die mit einer Inpflegegabe verbundenen Angelegenheiten besprochen und die notwendigen Informationen vermittelt werden. Hierbei müssen die Beteiligten umfassende Informationen über die rechtliche Situation, ihre Mitentscheidungsmöglichkeiten und das Verfahren sowie über das Besondere des „Konstrukts“ Pflegefamilie erhalten. Insbesondere ist auf die Notwendigkeit von Besuchsregelungen, den Anspruch auf Beratung und Unterstützung und auf finanzielle Regelungen hinzuweisen. Insgesamt sollte die Herkunftsfamilie darin unterstützt werden, die Inpflegegabe des Kindes als einen aktiven Beitrag zur Sicherung des Wohls des Kindes zu betrachten.
  • Soweit die Inpflegegabe des Kindes zu Verwandten oder Personen aus dem sozialen Nahraum ins Auge gefasst wird, ist ein gemeinsames Gespräch zwischen den Beteiligten notwendig. Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Beziehungsdynamik zwischen „abgebenden“ und „aufnehmenden“ Personen und auf die wechselseitigen Vorstellungen über die Gestaltung des Pflegeverhältnisses gerichtet werden.
  • Zu empfehlen ist ferner, auch nicht unmittelbar beteiligte Elternteile in den Vorbereitungsprozess einzubeziehen, sie über Planungen zu informieren und sie über Mitwirkungswünsche zu befragen.

6.4 Der Vermittlungsprozess

Aufgabe der zuständigen Fachkräfte – in der Regel des Pflegekinderdienstes – ist es, für das zu vermittelnde Pflegekind geeignete Pflegeeltern zu finden. Dabei sind sowohl die Bedürfnisse des Kindes und die legitimen Erwartungen der leiblichen Angehörigen als auch die besonderen Wünsche und Kompetenzen der Bewerberinnen und Bewerber so weit wie möglich in Einklang zu bringen. Voraussetzung hierfür ist, dass die zuständigen Fachkräfte allen Beteiligten die für eine begründete Entscheidung bedeutsamen Informationen vermitteln.  

  • Notwendige Voraussetzungen für Vorentscheidungen:
    Eine Vorentscheidung sowohl über den Prozess der Zusammenführung von potentiellen Pflegeeltern und -kindern als auch bezüglich einer Anfrage an eine Pflegeperson zur Aufnahme eines bestimmten Kindes setzt eine gründliche Erhebung aller für die Inpflegenahme des Kindes bedeutsamen Daten und Faktoren sowie die erforderlichen rechtliche Abklärungen voraus. Hierbei kann es nicht allein auf allgemeine anamnestische Daten zum Kind, seiner Entwicklung, seinem Entwicklungsstand, seinen biographischen Vorerfahrungen etc. ankommen. Von Bedeutung ist auch die Erkundung und Besprechung von Einstellungen und Haltungen der Herkunftsfamilie und des zu vermittelnden Kindes oder Jugendlichen zu den Hintergründen der Inpflegegabe, von den mit ihr verbundenen Ängsten und Vorbehalten und von Erwartungen für die Zukunft.
  • Voranfragen an die Pflegepersonen:
    Die von der zuständigen Fachkraft ins Auge gefasste Vermittlung eines speziellen Kindes in eine besondere Pflegefamilie sollte zunächst als anonymisierte Voranfrage erfolgen, die mindestens folgende Informationen enthält:
    einen Abriss zur Biographie des Kindes und seinen häuslichen Verhältnissen; die Verhaltensbesonderheiten des Kindes, einschließlich der Ergebnisse diagnostischer Verfahren; seine Bindungen an die Herkunftsfamilie und zu anderen bisherigen Bezugspersonen; die rechtliche Situation sowie die Wünsche der Bezugspersonen des Kindes nach Kontakt und Beteiligung; die voraussichtliche Perspektive des Pflegeverhältnisses.
    Die Voranfrage sollte ferner die Information an die Bewerberinnen und Bewerber enthalten, dass eine Entscheidung gegen das angefragte Kind keine Konsequenzen für weitere Anfragen hat, dass die Anfrage mit allen Familienmitgliedern, insbesondere auch mit den eigenen Kindern, besprochen werden sollte und welche Entscheidungen vor einer endgültigen Inpflegegabe noch zu treffen sind.
  • Regelmäßige Informationen an die Herkunftsfamilie und das Kind:
    Auch die Herkunftsfamilie und das Kind sollten in allen Phasen des Vermittlungsgeschehens über den aktuellen Stand des Verfahrens informiert und – soweit sich die Inpflegegabe durch eine bestimmte Person/Familie konkretisiert – in den Prozess einbezogen werden. Hierzu gehören insbesondere Informationen, die es ermöglichen, sich ein realistisches Bild über die Bewerberfamilie zu machen und mit den eigenen Vorstellungen abzugleichen.

6.5 Die Anbahnung des Pflegeverhältnisses

Zweck der konkreten Anbahnung eines Pflegeverhältnisses ist es, nach „Aktenlage“ getroffene Vorentscheidungen über die Begegnung der beteiligten Personen zu bestätigen oder zu widerrufen. Der Anbahnungsprozess ist als ein offener Prozess zu gestalten. Damit soll die Möglichkeit gegeben werden, dass sich alle Beteiligten in jeder Phase für oder gegen die geplante Inpflegegabe entscheiden können.

  • Anbahnungsprozesse sind so zu gestalten, dass sie von allen Beteiligten als ergebnisoffen verstanden werden können. Die Beteiligten sollten sich wechselseitig kennen lernen und die Möglichkeit des Zusammenlebens bzw. der Kooperation miteinander abklären können. Die konkreten Verfahrensabläufe sind an dem Alter des Kindes, seiner familiären Situation, dem gegenwärtigen Lebensort des Kindes und der rechtlichen Lage zu orientieren.
  • Anbahnungsprozesse sind vom Pflegekinderdienst in Absprache mit den Beteiligten aktiv zu gestalten und zu begleiten. Hierzu sollten nach jedem Anbahnungsschritt „Rückkopplungsschleifen“ vorgesehen werden, die es den Beteiligten unabhängig von einander ermöglichen, ihre Eindrücke wieder zu geben und weitere Voraussetzungen für eine endgültige Entscheidung zu formulieren. Dies bezieht sich auch auf sorgeberechtigte und – wo möglich – nicht sorgeberechtigte Personen der Herkunftsfamilie, da ihre Vorstellung eine wesentliche Voraussetzung für alles Weitere, insbesondere im Hinblick auf ihre Bereitschaft, zum Wohle des Kindes mit den Pflegepersonen und den Sozialen Diensten zu kooperieren, ist.
  • Bestandteil eines Anbahnungsprozesses sollten in der Regel mehrfache Treffen zwischen Pflegepersonen und Kind sowie mindestens ein Treffen zwischen den relevanten Personen der Herkunftsfamilie und den Pflegepersonen sein. Hierzu gehört auch die Beteiligung weiterer für das Pflegeverhältnis bedeutsamer Personen – auf Seiten der Pflegefamilie insbesondere der eigenen Kinder bzw. bereits in der Familie lebender anderer Pflegekinder und sonstiger Familienmitglieder, auf Seiten der Herkunftsfamilie auch der faktisch zur Familie gehörenden anderen Personen. Hierbei sollte die Fachkraft den Einfluss von Wertvorstellungen Dritter auf den Vermittlungsprozess reflektieren und ggf. problematisieren.
  • Ein Anbahnungsprozess sollte nicht aus formalen oder konzeptionellen Gründen künstlich „gestreckt“ werden. Sobald es zu einer einvernehmlichen Entscheidung gekommen ist, sollte die Inpflegegabe des Kindes unverzüglich erfolgen.

6.6 Der Beginn des Pflegeverhältnisses

Die Gestaltung der ersten Phase des Pflegeverhältnisses ist konzeptionell umstritten. Dies betrifft insbesondere die Frage, ab welchem Zeitpunkt Besuchskontakte zugelassen werden sollen. Da gerade die ersten Monate eines Pflegeverhältnisses weichenstellend für den weiteren Verlauf wirken, sollte sehr sorgfältig abgewogen werden, was der individuellen Bedürfnislage des Kindes entspricht.

  • Dringend zu empfehlen ist, über die Frage von Besuchskontakten in der frühen Phase eines Pflegeverhältnisses zu einer einverständlichen Lösung zwischen den Pflegepersonen, den Personen der Herkunftsfamilie und – soweit dem Alter des Kindes entsprechend – dem Kind, zu kommen. Negative Konsequenzen für den weiteren Verlauf des Pflegeverhältnisses können nur vermieden werden, wenn Einsicht in die Bedeutung der jeweiligen Regelung geweckt wird.
  • Unabhängig von der Frage der Besuchsregelungen kommt der Gestaltung der ersten Phase des Pflegeverhältnisses eine hohe Bedeutung für den weiteren Verlauf zu. Die Pflegeeltern und die weiteren in der Pflegefamilie lebenden Personen werden erstmals mit den konkreten Alltagsproblemen konfrontiert. Es erweist sich häufig erst jetzt, dass es unerwartete Konflikte geben kann, dass sich das Kind anders verhält als vermutet und dass die Familiendynamik in höherem Maße als erwartet, von der Aufnahme des Kindes beeinflusst wurde. Auch für Pflegekinder ist mit der Integration in eine zunächst noch fremde Familie eine hohe Belastung verbunden. Die Auseinandersetzung mit der Inpflegegabe, mit Ambivalenzen und Schuldgefühlen, aber auch die Notwendigkeit, in der Pflegefamilie erst einen eigenen Ort zu finden, sind belastend und anstrengend. Und schließlich: Für die Herkunftsfamilie verdeutlichen sich die sozialen und psychologischen Konsequenten der „Abgabe“ häufig erst jetzt.
    Alle Beteiligten bedürfen in der ersten Phase des Pflegeverhältnisses darum einer verlässlichen Beratung und Unterstützung. Zu empfehlen ist es, mit den Pflegeeltern und den weiteren Familienmitgliedern der Pflegefamilie einen intensiven Kontakt zu halten, wobei auch der Frage der Erreichbarkeit des betreuenden Dienstes eine hohe Bedeutung zukommt. Für ältere Kinder und Jugendliche in der Pflegefamilie sollte die Möglichkeit geschaffen werden, sich unabhängig von der Zustimmung der Pflegeeltern beraten lassen zu können. Für die Herkunftsfamilie empfiehlt sich, ihr eine Fachkraft/Institution zu benennen, mit der Sorgen und Beschwerden reflektiert werden können.
  • Schließlich verdienen auch die Reaktionen der für das Kind relevanten Umwelt - Nachbarschaften, Kindertagesstätten, Schulen – eine besondere Aufmerksamkeit, um einer sich sonst ggf. einschleifenden Ausgrenzung und Isolation des Kindes vorzubeugen.
  • In der ersten Phase der Inpflegegabe kristallisieren sich immer wieder Bedarfe heraus, die in der Hilfeplanung noch nicht erkennbar waren. Um Verfestigungen und Enttäuschungsreaktionen von Pflegeeltern zu vermeiden, sollten möglichst zeitnah notwendige diagnostische Abklärungen vorgenommen und bei Bedarf medizinische, pädagogische und (sozial-) therapeutische Fördermaßnahmen eingeleitet werden. Zur Abklärung und Reflexion von Problemlagen kann auch die Einleitung einer Supervision durch Außenstehende notwendig werden.
  • Dem „weichenstellenden“ Charakter der Eingangsphase entspricht insgesamt, sie konzeptionell besonders auszugestalten und den besonderen Arbeitsaufwand bei der Fallbemessung zu berücksichtigen.

6.7 Die Begleitung laufender Pflegeverhältnisse
6.7.1 Arbeit mit dem Pflegekind

Orientiert an Alter und Entwicklungsstand des Kindes ist das Pflegekind als eigene „Rechtspersönlichkeit“ und mit eigenen – von den Mitgliedern der Pflegefamilie und der Herkunftsfamilie – unabhängigen Bedürfnissen zu würdigen. Es hat Anspruch auf eine erwachsenen-unabhängige Unterstützung. Deren oberstes Ziel ist es, dem Kind bei der Auseinandersetzung mit seiner besonderer Situation als Pflegekind beizustehen und ihm die Gewissheit zu geben, dass es, um mit den Worten der UN-Kinderrechtskonvention zu sprechen, seinem Alter und Entwicklungsstand gemäß an allen seine eigenen Angelegenheiten betreffenden Entscheidungen beteiligt wird.

  • Vor einer erwachsenen-orientierten Definition von allgemeinen Bedürfnissen von Kindern und den besonderen Bedürfnisses eines speziellen Kindes oder Jugendliche, sollten ihre nicht-verbalen und verbalen Bedürfnisäußerungen ernst genommen werden. Dies setzt die Schaffung von Gelegenheiten voraus, in denen sich das Kind oder der Jugendliche in einer seinem Alter und Entwicklungsstand entsprechenden Weise unabhängig von Pflegepersonen und Personen der Herkunftsfamilie spielerisch oder verbal artikulieren kann.
  • Pflegekinder haben sich im besonderen Maße mit Identitätsfragen – gleichermaßen bezogen auf die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft – auseinander zu setzen. Der gesellschaftlich unübliche Status eines Pflegekindes - eines Kindes mit zwei Familien - stellt ein vom Kind zu bewältigendes Lebensthema dar. Ohne dass auf „Rezepte“ für die Lösung dieser komplexen Probleme verwiesen werden könnte, sollten diesen Themen gewidmete Einzelgespräche mit dem Kind, Familiengespräche und – je nach Lage – begleitete Kontakt-Arrangements zwischen Personen der Herkunftsfamilie zu den Standards von Pflegekinderdiensten gehören. Hilfreich ist es ferner, dem Pflegekind Kontaktmöglichkeiten zu anderen Pflegekindern zu eröffnen.
  • Zu empfehlen ist auch, die besonderen Lebensthemen von Pflegekindern zum Gegenstand der Beratungsarbeit mit den Pflegeeltern und den für das Kind (noch) relevanten Personen seiner Herkunftsfamilie zu machen, da ihre Haltung zu diesen Themen bereits einen bedeutenden Beitrag für die Auseinandersetzung des Kindes leistet.
  • Von besonderer Bedeutung ist es, dem Pflegekind in einer seinem Alter und Entwicklungsstand sowie in dem Stand seiner inneren Auseinandersetzung mit sich selbst entsprechenden Weise, die für die Deutung seiner Vergangenheit, für die Interpretation seiner Gegenwart und für seinen Blick in die Zukunft notwendigen Informationen zu geben. Hierzu gehören ebenso Informationen über die Hintergründe der Inpflegegabe und die Besonderheiten der Personen seiner Herkunftsfamilie wie Informationen über laufende Ereignisse in der Herkunftsfamilie und Informationen über „Prozeduren“ und Entscheidungen im Zusammenhang mit seinem Status als Pflegekind.
  • Im Rahmen des Gesamtkomplexes der Arbeit mit dem Pflegekind spielen Auseinandersetzungen mit den realen Kontakten der Herkunftsfamilie zu ihm und zwischen Herkunftseltern und Pflegepersonen eine herausragende Rolle. Direkte und indirekte Äußerungen des Kindes bezüglich der Umgangskontakte sind zu beobachten und ernst zu nehmen. Dem Kind sollten weder Kontakte aufgenötigt, noch von ihm wirklich gewünschte Kontakte (auf Dauer) vorenthalten werden.

6.7.2 Arbeit mit der Herkunftsfamilie

Die Arbeit mit der Herkunftsfamilie ist in Orientierung an § 37 Abs. 1 SGB VIII Teil der Gesamtarbeit von Pflegekinderdiensten und/oder der Allgemeinen Sozialdienste und steht insoweit nicht zur Disposition. Sie realisiert sich allerdings, je nach Feststellung in der Hilfeplanung und den tatsächlichen Gegebenheiten in der Herkunftsfamilie, in unterschiedlicher Weise. Sie kann sowohl dem Ziel dienen, die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Kindes in den eigenen Haushalt vorzubereiten, als auch dem Ziel, die Eltern bei der „inneren Freigabe“ des Kindes zu unterstützen. Unabhängig von dieser grundlegenden Optionen geht es darum, die sich aus Umgangsregelungen ergebenden wechselseitigen Anpassungsprobleme von Herkunftsfamilie, Pflegefamilie und Pflegekind zu begleiten.

  • Eine Ebene der Arbeit mit der Herkunftsfamilie stellt die Elternarbeit dar. Sie zielt auf eine Begleitung und Einbeziehung der Herkunftseltern in das Pflegeverhältnis ab, damit diese die Entwicklung ihres Kindes in der Pflegefamilie unterstützen und ihrer elterlichen (Teil-) Verantwortung nachkommen können.
  • Voraussetzung für eine wirksame Elternarbeit ist die Herstellung einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Fachkraft und Herkunftseltern. Hierbei geht es insbesondere um die Schaffung eines Beziehungsklimas, in dem Interessen und Erwartungen offen ausgetauscht und mit für alle Seiten tragfähigen Perspektiven für das Pflegekind verknüpft werden können.
  • Ein Schwerpunkt in der Arbeit mit Herkunftsfamilien sollte auf Erweiterung der elterlichen Kompetenzen liegen: hierbei gilt es Herkunftseltern zu befähigen, sowohl Entwicklungsgefährdungen für ihr Kind als auch die Stärken und Ressourcen ihres Kindes zu erkennen und die Wirkungen ihres erzieherischen/elterlichen Handelns einschätzen zu lernen.
  • Des Weiteren geht es in der Elternarbeit darum, Herkunftseltern dahingehend zu unterstützen, dass sie ihre Elternschaft unter veränderten Rahmenbedingungen verantwortlich wahrnehmen können. Daher wäre die Bearbeitung insbesondere folgender Themen wichtig: Besuch und Umgang; Rolle von Herkunftseltern; Beiträge von Herkunftseltern zur Unterstützung der Entwicklung ihres Kindes in der Pflegefamilie (Arbeitsteilung); Besprechung von Grundsatzfragen für Entwicklung und Zukunft des Kindes (Gesundheit; Schule etc.).
  • Geht es im Hinblick auf die Zielsetzung der Inpflegegabe darum, die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Kindes in den eigenen Haushalt vorzubereiten, muss durch eine (Re-) Stabilisierung des Herkunftsmilieus mittels gezielter Unterstützungsleistungen die soziale, ökonomische und erzieherische Situation in der Herkunftsfamilie so verändert werden, dass die Entwicklungsbedingungen für die Familie insgesamt verbessert werden sowie eine geplante Rückführung des Pflegekindes möglich wird.
  • Mit einer qualifizierten Elternarbeit wird der Prozess der (Re-) Stabilisierung in der Herkunftsfamilie wesentlich unterstützt. Eine erfolgreiche (Re-) Stabilisierung setzt, wie auch die Elternarbeit, eine entsprechende Haltung der Fachkräfte gegenüber den Herkunftseltern voraus, die diese als für ihre Kinder relevante Bezugspersonen akzeptiert und respektiert.
  • (Re-) Stabilisierungskonzepte sollten sich vor allem auf folgende Bereiche konzentrieren: Ökonomische Situation (Finanzen, Wohnen); Herausarbeiten der Ressourcen von Herkunftsfamilien ebenso wie die des sozialen Umfeldes; Aufbau informeller Unterstützungssysteme (Verwandte, Nachbarn, Freunde etc.); Verstärkung elterlicher Kompetenzen (Entwicklungsgefährdungen erkennen; erzieherisches Handeln reflektieren); Alltagsorganisation der Familie sicherstellen und Herkunftseltern hierzu befähigen etc.
  • Die (Re-) Stabilisierung der Herkunftsfamilie ist vor allem auch dann von besonderer Bedeutung, wenn weitere Kinder in der Herkunftsfamilie leben.

6.7.3 Arbeit mit der Pflegefamilie

Die Arbeit mit der Pflegefamilie steht im Spannungsverhältnis zwischen der Privatheit des familiären Arrangements und der öffentlichen Aufgabe. Sie steht auch im Spannungsfeld der Bedürfnisse des Kindes und der Bedürfnisse der Pflegepersonen sowie weiterer Familienmitglieder. Hinzu kommen die unterschiedlichen Interessen und Bedürfnislagen der Herkunfts- und Pflegefamilie. Grundlegende Aufgabe der Arbeit mit der Pflegefamilie ist es daher, die in den Spannungsfeldern liegenden Chancen und Risiken für gelingende Pflegeverhältnisse zu erkennen, mit den Pflegepersonen Lösungsmöglichkeiten zu erörtern und sie bei Lösungen zum Wohl des Pflegekindes zu unterstützen.

  • Eine entscheidende Grundlage für die Arbeit mit der Pflegefamilie ist es, tragfähige Arbeitsbeziehungen mit den Pflegepersonen einzugehen. Auf Seiten der betreuenden Fachkräfte setzt dies Zuverlässigkeit, „Takt“ und Einfühlungsvermögen in die besondere Situation von Pflegefamilien zwischen Privatheit und öffentlichem Auftrag voraus; auf Seiten der Pflegefamilie, die Bereitschaft, öffentliche Aufsicht und Kontrolle als grundlegend für eine erzieherische Hilfe zu akzeptieren. Zu empfehlen ist, die Modalitäten der Zusammenarbeit im Hilfeplan mit der Festlegung wechselseitiger Rechte und Pflichten zu regeln. Soweit dies die örtlichen Verhältnisse zulassen, sollte den Pflegepersonen für die regelmäßige Begleitung oder die Beratung in speziellen Fragen die Wahl zwischen einem öffentlichen und einem freier Träger offengehalten werden.
  • Verlässliche Informationen an die Pflegepersonen über alle das Pflegeverhältnis betreffende Angelegenheiten sind die unerlässliche Grundlage jeder begleitenden Arbeit. Zu ihnen gehören auch Informationen über zusätzliche Unterstützungsmöglichkeiten durch Experten im erreichbaren Umfeld.
  • Eine entscheidende Grundlage für eine gelingende Begleitung der Pflegefamilie ist es „am Ball“ zu bleiben. Neben in ihrem Rhythmus fest abgesprochenen Gesprächen (u.a. bei Hausbesuchen) sollten die Fachkräfte deshalb auch ohne besonderen Anlass, erst recht, wenn es einen solchen gibt, ihr Interesse am Wohlergehen der Familie z.B. über telefonische Nachfragen bekunden. Dies schließt nicht aus, die Intensität der Beratungsarbeit in den verschiedenen Phasen eines Pflegeverhältnissen dem tatsächlichen Bedarf anzupassen.
  • Die Pflegepersonen sind die „Experten“ für das von ihnen betreute Kind, da sie den Alltag mit dem Kind teilen. Jeder Beratungsprozess sollte deshalb seinen Ausgangspunkt bei den Selbstdefinitionen und Problembeschreibungen der Pflegepersonen nehmen. Die Akzeptanz der Expertenrolle der Pflegepersonen sollte sich auch über ihre Beteiligung an Hilfeplankonferenzen und in gerichtlichen Verfahren nieder schlagen.
  • Einen wesentlichen Beitrag für die Rollenfindung, für den Erfahrungsaustausch, für Reflexion und Erweiterung von Kompetenzen leisten Pflegeelterngruppentreffen, begleitende Qualifizierungen und Informationsveranstaltungen sowie Pflegefamilientreffen, ggf. auch Wochenendfreizeiten. Besonderer Wert sollte darauf gelegt werden, einen Teil solcher Treffen eher informell auszurichten, um das wechselseitige Kennenlernen der Pflegepersonen zu unterstützen. Insbesondere wenn die verschiedenen Treffen auch dazu genutzt werden, wechselseitige Hilfestellungen unter den Familien anzuregen, bedeuten sie nicht nur einen zusätzlichen Arbeitsaufwand für den Pflegekinderdienst, sondern entlasten ihn auch.
  • Krisenhafte Zuspitzungen in einem Pflegeverhältnis sollten nicht nur mit einer Intensivierung der Beratungsarbeit beantwortet werden, sondern auch mit der Bereitstellung zusätzlicher Unterstützungsleistungen. Hierbei kann es sich ebenso um eine – tunlichst unabhängige – Supervision, durchgeführt von Praxisberaterinnen bzw. -beratern mit Kenntnissen über die Fremdplatzierung von Kindern, handeln, wie um die Bereitstellung eines familienentlastenden Dienstes, der es erschöpften Pflegepersonen ermöglicht, Distanz zu den Alltagsproblemen zu gewinnen.

6.7.4 Kontakt- und Umgangsregelungen

Die unterschiedliche Handhabung von Kontakt- und Umgangsregelungen bildet gewissermaßen einen Prüfstein für die Arbeit mit dem ganzen System „Erziehung in einer Vollzeitpflegestelle“. In ihrer Ausgestaltung bewährt sich die gelingende Arbeit mit dem Pflegekind, der Herkunftsfamilie und der Pflegefamilie einschließlich der eigenen Beteiligung des Pflegekinderdienstes. Alle Regelungen verfolgen den Zweck, das Pflegekind in seinem Bestreben nach Sicherheit, Eindeutigkeit und Entschiedenheit zu unterstützen. Zu akzeptieren ist, dass es hierfür keine „fertigen“ Lösungen gibt.

  • Gelingende Kontakt- und Umgangsregelungen setzen – jenseits familienrichterlicher Entscheidungen und der Festlegungen in der Hilfeplanung – die gleichrangige, in strittigen Fällen arbeitsteilig zu organisierende, begleitende Unterstützung der Herkunftsfamilie, des Pflegekindes und der Pflegeeltern voraus.
  • Eine, in der Praxis nach Herausnahme des Kindes oft vernachlässigte, begleitende Arbeit mit der Herkunftsfamilie ist – unabhängig von Detailregelungen über Besuchskontakte – die Voraussetzung dafür, dass Herkunftseltern die Entwicklung ihres Kindes während der Inpflegegabe unterstützen, mit den Pflegeeltern verantwortlich kooperieren und sich ggf. „innerlich gereift“ von ihrem Kind ganz trennen können. Den Herkunftsfamilien muss hierfür Gelegenheit gegeben werden, sich mit ihrer neuen Rolle als „Eltern ohne (dieses) Kind“ auseinander zu setzen, Schuld- und Verantwortungsgefühle zu bearbeiten und die Rolle als „zweite wichtige Personen des Kindes“ unter Einbeziehung der Bedürfnisse des Kindes und der Pflegefamilie anzunehmen.
  • Die – in der Praxis ebenfalls vernachlässigte – besondere Arbeit mit dem Pflegekind soll diesem Gelegenheiten zur Bearbeitung von Fragen, Ängsten und Loyalitätskonflikten geben, ihm eine Reflexionsebene für konkrete Erfahrungen bieten und es dabei unterstützen, Schutz vor und in belastenden Konfliktsituationen zu verlangen, sowie Kränkungen – etwa wegen des Rückzugs von Personen der Herkunftsfamilie – produktiv zu verarbeiten. Hierzu bedarf es einer von Pflegepersonen und Personen der Herkunftsfamilie unabhängigen Begleitung des Kindes, in schwierigen Fällen ggf. mit Hilfe externer Fachkräfte/Therapeuten.
  • Die Arbeit mit der Pflegefamilie sollte unter dem allgemeinen Ziel erfolgen, sie nicht nur zur Hinnahme von Besuchskontakten zu ermuntern, sondern auch darin, eine aktive Rolle in der „Elternarbeit“ zu übernehmen. Hierzu gehört auch die Ermunterung, aktiv Grenzen zu setzen und Verhaltensstandards für Besuche und andere Kontakte des Kindes zu den Personen der Herkunftsfamilie einzufordern.
  • Aufgabe des Pflegekinderdienstes, je nach örtlichen Gegebenheiten ggf. im Austausch mit den für die Herkunftsfamilie zuständigen Fachkraft, ist es, die Gesamtdynamik planend zu steuern und im Falle von – gerade in diesem Bereich nicht ausschließbaren Konflikten – eine Lösung herbei zu führen, die dem Kindeswohl am besten gerecht wird. Hierbei sollte beachtet werden, dass das „Beste für das Kind“ in verschiedenen Phasen des Pflegeverhältnisses ganz unterschiedliches bedeuten kann.

6.8 Die Beendigung von Pflegeverhältnissen

Die Beendigung von Pflegeverhältnisses erfolgt in vielfältiger Gestalt: Als geplante Rückführung eines Kindes oder Jugendlichen in seine Herkunftsfamilie oder als Rücknahme des Kindes oder Jugendlichen durch sorgeberechtigte Eltern oder andere Personensorgeberechtigte, als Auflösung des formellen Pflegeverhältnisses wegen Volljährigkeit oder Übergang in eine andere betreute Lebens- oder Wohnform, wegen Adoption des Kindes – auch durch die Pflegepersonen –, als Herausnahme des Kindes aus der Pflegefamilie durch den öffentlichen Träger der Jugendhilfe und ferner als ein Abbruch des Pflegeverhältnisses auf Wunsch des Kindes oder Jugendlichen und/oder der Pflegepersonen. Jeder Beendigungsgrund verlangt nach je spezifischen Unterstützungsleistungen von Pflegekinderdiensten vor, während und nach der Beendigung des Prozesses. Die Diskussion im Einzelnen würde den Rahmen diese Empfehlungen sprengen. Eingegangen wird nur auf allgemeine Prinzipien für die Gestaltung von Beendigungsprozessen sowie speziell auf Fragen der Gestaltung einer Rückführung.

6.8.1 Allgemeine Empfehlungen zur Gestaltung von Beendigungsprozessen

  • Die Beendigung eines Pflegeverhältnisses erfolgt selten unangekündigt; im Regelfall gibt es „Vorboten“ wie die Ankündigung eines Rücknahmeverlangens durch die Herkunftsfamilie, den Rückkehr- oder Auszugswunsch des Pflegekindes oder einen sich chronifizierenden Erschöpfungs- oder Überforderungsprozess der Pflegeeltern. Um eine für alle Beteiligten schmerzhafte und ggf. traumatisierende abrupte Beendigung zu vermeiden, sollte Pflegekinderdienste zu einem frühest möglichen Zeitpunkt die jeweilige Thematik aufgreifen, entweder um Abhilfe zu schaffen oder um mit den Beteiligten zusammen die Beendigung als Prozess mit einem möglichst klaren Zeitplan zu gestalten und zu begleiten.
  • Beendigungen sollten, soweit irgend möglich, in einem symbolischen Beendigungsakt im Beisein der zuständigen Fachkraft und – wenn dies der Beendigungssituation entspricht – der neu- bzw. wiederaufnehmenden Personen besiegelt werden. Dies hilft dem Pflegekind und den anderen Beteiligten die Beendigung biographisch zu integrieren, ihr Sinn zu verleihen und – sozial abgesichert – Schuldgefühle zu verarbeiten.
  • Jede Beendigung sollte ferner mit klaren, protokollierten Verabredungen zwischen allen Beteiligten enden, welche Rolle die abgebenden Pflegepersonen nach der Beendigung im Leben des Kindes spielen werden. Soweit hierüber keine Einigung erzielt werden kann, ist eine verbindliche Entscheidung durch das Jugendamt herbei zu führen und den Beteiligten zu vermitteln.
  • Je nach Art der Beendigung werden die Pflegepersonen mal weniger, mal mehr Unterstützung bei der Verarbeitung der Trennung von dem Pflegekind benötigen. Es ist zu empfehlen, die Betreuung/Beratung der Pflegepersonen nach Beendigung nicht abrupt abzubrechen.

6.8.2 Empfehlungen zur Beurteilung und zur Gestaltung von Rückführungen

  • Die konkrete Entscheidung zur Einleitung einer Rückführung setzt die Stabilisierung der Herkunftsfamilie in einem für das Kind vertretbaren Zeitraum voraus. Entscheidend ist das tatsächliche Bindungsverhalten des Pflegekindes und seine Haltung einer Rückführung gegenüber. Beeinflusst wird beides nicht nur von den biographischen Erfahrungen des Kindes, sondern auch von der Haltung der Pflegepersonen und der Pflegekinderdienste gegenüber einer Rückführung, wie sie sich zum Beispiel in der Unterstützung oder Entmutigung von Besuchskontakten ausdrückt, sowie von den konkreten Fähigkeiten der Herkunftsfamilie, auf ein „bindungsverunsichertes“ Kind eingehen zu können. Die Vorbereitung einer Rückführung setzt darum die Beachtung der Gesamtdynamik eines Pflegeverhältnisses voraus, wobei das Kind aber nie zum „Versuchsobjekt staatlicher Familienrehabilitation“ werden darf.
  • Als Indikatoren für stabilisierte Verhältnisse in der Herkunftsfamilie können gelten: Verbesserung der allgemeinen Umweltbedingungen (z.B. Wohnung und Wohnumfeld); Überwindung von Krankheit bzw. deutliche Fortschritte in der Krankheitseinsicht bzw. -bewältigung; Stabilisierung familiärer Beziehungen und verbesserte Kompetenz zur Übernahme grundlegender elterlicher Funktionen, insbesondere in den Bereichen Versorgung und emotionale Unterstützung; eine abgeklärte emotionale Haltung dem Kind und seinen Bedürfnissen gegenüber; Ausschließung von Faktoren, die den Schutz des Kindes vor überfordernden oder schädigenden Einflüssen in Frage stellen könnten. Die Planung bzw. eine Entscheidung für eine Rückführung setzt damit eine sorgfältige Erkundung der aktuellen häuslichen Verhältnisse, in der Regel in enger Kooperation mit dem die Herkunftsfamilie begleitenden Dienst, voraus.
  • Die Planung einer bzw. Entscheidung über eine Rückführung vorausgesetzt, ist auch die konkrete Rückführung gegenüber allen Beteiligten sorgfältig vorzubereiten. Notwendig ist es, die Rückführung als einen keinen der Beteiligten überfordernden Prozess zu gestalten. Zu empfehlen ist, der Herkunftsfamilie zu ermöglichen, sich vorausschauend mit den auf sie zukommenden Herausforderungen auseinander zu setzen; die Pflegepersonen sollten ermutigt werden, ihre Beziehung zum Kind neu zu definieren und die Begleitung des Kindes auf dem Weg zurück in die Herkunftsfamilie als die jetzt „anstehende“ Aufgabe zu betrachten; dem Pflegekind muss ermöglicht werden, sich mit Ambivalenzen, Zweifeln, Ängsten und Hoffnungen auseinander zu setzen. Zu empfehlen ist, für diese komplexen Aufgaben externe, nicht in die Dynamik des Pflegeverhältnisses verwickelte, Fachkräfte hinzu zu ziehen.
  • Die eigentliche Rückführung sollte als gleitender Prozess der Übergabe organisiert werden. Anzustreben sind mehrfache, vom Pflegekinderdienst begleitete oder jedenfalls „nachbereitete“, Besuche des Pflegekindes in der Herkunftsfamilie zusammen mit den Pflegepersonen und allein sowie Besuche der Personen aus der Herkunftsfamilie in der Pflegefamilie.
  • Auch bei guter Vorbereitung von Herkunftsfamilie und Kind auf die Rückführung und sorgfältiger Überleitung ist nicht auszuschließen, dass sich nach der Rückführung Probleme bei der (Re-) Integration des Kindes ergeben. Um „Nachhaltigkeit“ zu unterstützen, bedarf es in der Regel der Planung und Gewährung von zusätzlichen Leistungen für die Herkunftsfamilie für einen befristeten Zeitraum. Bewährt hat sich die Einrichtung einer Sozialpädagogischen Familienhilfe für einen begrenzten Zeitraum.

7. Sorgerechtliche Aspekte
7.1 Ausgestaltung der sorgerechtlichen Beziehungen bei „freiwilliger“ Inpflegegabe
7.1.1 Gesetzliche Befugnis nach § 1688 BGB

Wird ein Kind bzw. Jugendlicher für längere Zeit in Vollzeitpflege gem. §§ 27, 33 SGB VIII untergebracht, erlangt die Pflegeperson Entscheidungs- und Vertretungsbefugnisse kraft Gesetzes in Angelegenheiten des täglichen Lebens (§ 1688 Abs. 1 BGB).

Die Formulierung „für längere Zeit“ verdeutlicht, dass die Rechtswirkung des § 1688 Abs. 1 BGB nicht erst nach einem bestimmten Zeitablauf seit dem Zeitpunkt der Inpflegegabe eintritt, sondern ab dem Zeitpunkt der Aufnahme in die Pflegefamilie bei einer entsprechend prognostizierten Dauer der Familienpflege.

Ist die Vollzeitpflege von vornherein als „auf Dauer angelegte Lebensform“ angestrebt, ergeben sich hinsichtlich der gesetzlichen Wirkungen des § 1688 Abs. 1 BGB keine Schwierigkeiten. Handelt es sich jedoch um eine „zeitlich befristete Erziehungshilfe“ können sich gewisse Unsicherheiten ergeben. Im Hinblick auf die Absicht des Gesetzgebers, die Sorgerechtsausstattung der Erziehungspersonen – unabhängig von der Zielrichtung der Fremdbetreuung – für die Alltagssorge zu verbessern, sollten die zeitlichen Anforderungen nicht zu hoch geschraubt werden.

Bei auf nur kurze Zeiträume angelegter Vollzeitpflege, etwa bis zur Dauer von zwei Monaten, entsteht die gesetzliche Wirkung des § 1688 Abs. 1 BGB nicht. Gleichwohl bestehen Regelungs- und Entscheidungsnotwendigkeiten hinsichtlich Angelegenheiten des täglichen Lebens auch hier regelmäßig von Anfang an. Bei solchen Pflegeverhältnissen sind daher stets besondere Absprachen im Hinblick auf die Befugnisse der Pflegeperson erforderlich.

Im Rahmen der Hilfeplanung nach § 36 Abs. 2 SGB VIII sollte auf § 1688 BGB Bezug genommen werden. Die Anwendung von § 1688 BGB sollte im Hilfeplan dokumentiert werden.

§ 1688 BGB befugt die Pflegeperson zur Ausübung der Alltagssorge sowie zur Wahrnehmung der in Abs. 1 Satz 2 im einzelnen genannten Aufgaben. Dies bedeutet, dass die Pflegeperson „anstelle“ des Inhabers der elterlichen Sorge häufig vorkommende Entscheidungen ohne schwer abzuändernde Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes trifft. Diese beziehen sich auf alle tatsächlichen im Vordergrund stehenden Fragen der Betreuung im Alltag einschließlich derjenigen, die das schulische und berufliche Leben, die Berufsausbildung und die gewöhnliche ärztliche Behandlung betreffen.

Darüber hinaus ist die Pflegeperson bei Gefahr in Verzug berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind; die Personensorgeberechtigten sind unverzüglich zu unterrichten (§ 1688 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 1629 Abs. 1 Satz 4 BGB).

Der Inhaber der elterlichen Sorge kann die gesetzlichen Befugnisse der Pflegeeltern zwar beschränken (§ 1688 Abs. 3 Satz 1 BGB); Pflegeeltern müssen aber mit den erforderlichen Entscheidungs- und Handlungskompetenzen ausgestattet sein, um ihre Aufgaben und Pflichten wahrnehmen zu können.Es ist Aufgabe des Jugendamtes, zwischen dem Inhaber der elterlichen Sorge und den Pflegeeltern zu vermitteln und auf diesem Wege Einvernehmen herzustellen (§ 38 SGB VIII).Hat die Vermittlung jedoch keinen Erfolg, bleibt nur der Weg zum Familiengericht (§ 1666 BGB, ggf. § 1674 BGB).

7.1.2 Richterliche Gestaltung nach § 1630 Abs. 3 BGB

Gem. § 1630 Abs. 3 BGB besteht die Möglichkeit, Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf Antrag der Eltern oder der Pflegeperson auf die Pflegeperson durch das Familiengericht zu übertragen.

Für die Übertragung auf Antrag der Pflegeperson bedarf es allerdings der Zustimmung der Eltern.

Aufgrund einer Übertragung gem. § 1630 Abs. 3 BGB erlangt die Pflegeperson die Stellung eines Pflegers i.S.d. § 1915 BGB.

7.2 Mögliche zivilrechtliche Folgen bei länger dauernder Vollzeitpflege (Verbleibensanordnung)
Ø Voraussetzungen einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB

Personensorgeberechtigte Eltern können die Vollzeitpflege grundsätzlich jederzeit beenden. Die Lebensbedingungen in der Herkunftsfamilie könnten jedoch einem solchen Herausgabeverlangen ebenso widersprechen wie die nunmehr aufgrund des Zeitablaufs bestehenden Bindungen des Kindes oder Jugendlichen.

In einem solchen Fall hat das Familiengericht von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson zu prüfen, ob als erforderliche Maßnahme eine sogenannte Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB in Betracht kommt.

§ 1632 Abs. 4 BGB setzt voraus, dass das Pflegekind sich „längere Zeit“ in Familienpflege befindet und durch die von den leiblichen Eltern beabsichtigte Wegnahme aus der Pflegefamilie das Wohl des Kindes gefährdet wird.

Die Konkretisierung der Voraussetzung „längere Zeit“ ist nicht objektiv zu bestimmen, sondern richtet sich danach, wie das Pflegekind den Zeitablauf empfindet. Maßgebliche Komponente ist damit der kindliche Zeitbegriff. Welcher Zeitraum nach kindlichen Zeitempfinden als „längere Zeit“ zu betrachten ist, richtet sich nach der Dauer der Trennung des Kindes von den leiblichen Eltern und dem Alter des Kindes.

Bei der Feststellung einer durch die Wegnahme des Kindes verursachten Kindeswohlgefährdung kommt es neben der körperlichen und geistigen Verfassung des Kindes insbesondere auf dessen Bindungen zur Pflegeperson an. Von entscheidender Bedeutung für die Frage nach Entstehung und Intensität der Bindungen des Kindes zu den Pflegeeltern ist die Dauer der Familienpflege. Die beiden Voraussetzungen des § 1632 Abs. 4 BGB stehen somit in wechselseitiger Abhängigkeit. So beeinflussen die Besonderheiten des kindlichen Zeitempfindens die gewachsenen Bindungen des Kindes zu den Pflegeeltern ebenso wie seine bereits erfolgte Integration in die Pflegefamilie, sein Alter, seine Bindungen zu den leiblichen Eltern sowie Anzahl und Ursachen früherer Umgebungswechsel.

Ø Eignung und Wirkung einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB

Eine Verbleibensanordnung kann gegenüber einer (teilweisen) Entziehung des Sorgerechts nach § 1666 Abs. 1 BGB das mildere Mittel darstellen. Sie kann auch als geeignete Maßnahme betrachtet werden, wenn sich die leiblichen Eltern über den mit dem Jugendamt und den Pflegeeltern gemeinsam erarbeiteten Hilfeplan hinwegsetzen und entgegen getroffener Absprachen das Kind aus der Pflegefamilie herausnehmen wollen.

Da bereits vor Erlass einer Verbleibensanordnung gem. § 1632 Abs. 4 BGB geprüft werden muss, ob sich das Kind „längere Zeit“ in Familienpflege befindet, ist eine Prognose über die voraussichtliche Aufenthaltsdauer entbehrlich. Die Pflegeeltern vertreten den Inhaber der elterlichen Sorge in Angelegenheiten des täglichen Lebens (vgl. § 1688 Abs. 4, Abs. 1 BGB). Eine Beschränkung oder ein Ausschluss der gesetzlichen Befugnis der Pflegeeltern durch die Inhaber der elterlichen Sorge ist ausgeschlossen, weil eine solche nach Erlass einer Verbleibensanordnung gem. § 1688 Abs. 4 BGB dem Familiengericht vorbehalten ist.

Eine bloße Verbleibensanordnung erscheint jedoch nicht geeignet, wenn die Rückkehroption endgültig scheitert oder als nicht realisierbar feststeht und das Kind deshalb dauerhaft in der Pflegefamilie verbleiben soll. Bei familiengerichtlichen Kindesschutzmaßnahmen gehört es zu den Verpflichtungen des Staates, positive Lebensbedingungen für ein ungestörtes Aufwachsen des Kindes zu schaffen. Im Hinblick auf ein „ungestörtes Aufwachsen“ ist insbesondere das Bedürfnis des Kindes nach Klarheit und Sicherheit über seinen künftigen Aufwuchsort von Bedeutung. Eine bloße Verbleibensanordnung kann deshalb in einem solchen Fall hinsichtlich des letztlich bestimmenden Kindeswohls nicht geeignet erscheinen, da auch § 1688 BGB im Hinblick auf die Zukunftsperspektive eines Pflegeverhältnisses keinerlei Regelung trifft. Es ist unerlässlich, personensorgerechtliche Zuständigkeiten präzise abzuklären und über eine Verbleibensanordnung hinaus weitere Eingriffe in das Sorgerecht vorzunehmen.

Für die Beurteilung der Voraussetzungen und der Verhältnismäßigkeit einer Verbleibensanordnung bildet der Hilfeplan und seine Fortschreibung eine wichtige Entscheidungsgrundlage. Die Vorlage des Hilfeplans beim Gericht ist demnach ein unbedingtes Erfordernis (§ 50 Abs. 2 SGB VIII).

7.3 Vollzeitpflege infolge familiengerichtlicher Sorgerechtsbeschränkung

Bei einer beträchtlichen Anzahl von Kindern/Jugendlichen in Vollzeitpflege bestehen zivilrechtliche Kindesschutzmaßnahmen gem. §§ 1666, 1666 a BGB.

Leitet das Familiengericht ein Kindesschutzverfahren auf Initiative des Jugendamtes (vgl. § 50 Abs. 3 BGB) ein, weil erzieherische Hilfen allein nicht oder nicht mehr ausreichen, um eine Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden, oder Eltern nicht willens bzw. in der Lage sind, Hilfe zur Erziehung in Anspruch zu nehmen, und dadurch das Kindeswohl gefährden, dient die vom Gericht zu treffende Maßnahme dazu, dem Kind oder Jugendlichen Hilfe zur Erziehung zu gewähren.

Das Gericht muss bei seiner Entscheidung den im Anschluss an die gerichtliche Intervention einsetzenden oder fortgesetzten Hilfeprozess berücksichtigen. Diesem ist insbesondere im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Frage der Geeignetheit der gewählten Maßnahme Rechnung zu tragen. Eine Maßnahme kann nur dann als geeignet beurteilt werden, wenn sie der geplanten jugendhilferechtlichen Intervention und dem Konzept des SGB VIII gerecht wird.

Bei der auf Gefahrenabwendung gerichteten Prüfung ist das Gericht auf die Kooperation des Jugendamtes angewiesen, für das sich aus § 50 Abs. 2 und Abs. 3 SGB VIII sowie aus den §§ 1666, 1666 a BGB die Verpflichtung zur Vorlage des Hilfeplans beim Gericht ergibt. Ist eine einstweilige Anordnung zu treffen, muss, falls das Jugendamt zu diesem Zeitpunkt noch keinen Hilfeplan vorlegen kann, dies unverzüglich nachgeholt werden.

Die verbreitete gerichtliche Praxis des isolierten Entzugs des Aufenthaltsbestimmungsrechts kann zu erheblichen Problemen bei der Hilfegewährung führen und ist gegenüber den Eltern, Pflegeeltern und Minderjährigen unehrlich. Eine isolierte Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts reicht nicht aus, um gegen den Willen der insoweit weiterhin sorgeberechtigten Eltern, einem Kind/Jugendlichen Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege zu leisten. Diese Ansicht ist nicht unumstritten. In jedem Fall begründet jedoch allein die Unklarheit, die mit einem isolierten Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts verbunden ist, die Unverhältnismäßigkeit dieser Maßnahme. Denn sie kann sich als beeinträchtigend auf die Wahrung des Kindeswohls auswirken. Wird den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen, bleiben diese im übrigen Personensorgeberechtigte. Es kann daher schon mit Rücksicht auf die sich hieraus ergebenden Komplikationen für das Jugendamt als Leistungsbehörde mit einem Anspruch auf definitive Entscheidung der Leistungsannahme nicht unterstellt werden, dass der Gesetzgeber mit § 27 Abs. 1 SGB VIII die Berechtigung zur Geltendmachung von Hilfen kumulativ sowohl einem Aufenthaltsbestimmungspfleger als auch den Eltern zuweisen wollte.

Deshalb ist als Mindesterfordernis unerlässlich, dass in Sorgerechtsbeschlüssen, die der Gewährung von Hilfe zur Erziehung außerhalb der Herkunftsfamilie dienen sollen, dem Pfleger sowohl das Recht, Hilfe zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII zu beantragen, als auch das Recht, im Hilfeprozess, vor allem bei der Hilfeplanung, mitzuwirken, übertragen wird.

Sind Hilfemaßnahmen der Jugendhilfe Folge des familiengerichtlichen Eingriffs und als solche vom Gericht zur Gefahrenabwehr bewusst gewollt und intendiert, erscheint jedoch häufig als „erforderliche Maßnahme“ i.S.v. § 1666 Abs. 1 Satz 1 BGB  die Übertragung der gesamten Personensorge auf einen Pfleger notwendig. In jedem Fall bestimmt der Umfang des Hilfebedarfs das Ausmaß der Eingriffsmaßnahme entscheidend mit.

8. Besondere Aspekte
8.1 Soziale Absicherung von Pflegepersonen

Viele Pflegepersonen (es sind meistens die Mütter) verzichten auf eine bezahlte Vollzeittätigkeit außerhalb der Familie, um in der Familie für die Versorgung, Erziehung und Förderung der in Pflege genommenen Kinder umfassend zur Verfügung zu stehen. Diese Kinder bedürfen häufig noch nach dem dritten Lebensjahr einer intensiven Betreuung, so dass eine Berufstätigkeit für Pflegepersonen meist nicht oder nur teilweise möglich ist.

Dadurch sind sie meist sozialrechtlich nicht ausreichend abgesichert. Der Altervorsorge kommt dabei eine herausragende Bedeutung zu. Gemäß § 56 Abs. 1 SGB VI werden für Pflegeeltern zwar auch die gesetzlichen Erziehungszeiten angerechnet, allerdings nur bis zum vollendeten dritten Lebensjahr ihres aufgenommenen Kindes. In den meisten Fällen allerdings kommt das Kind nicht sofort nach der Geburt in eine Pflegefamilie.

So kann es auch im kommunalen Interesse sinnvoll sein, einen Zuschuss zur Altersvorsorge für Pflegepersonen zu übernehmen. Dies kann auch eine Maßnahme darstellen, um geeignete Pflegepersonen zu gewinnen.

8.2 Risikoabsicherung für Pflegekinder und Pflegeeltern

Der Deutsche Verein regt im Hinblick auf denkbare Schadensfälle an, die auf Seiten des Pflegekindes bzw. der Pflegeeltern eintreten können oder durch diese verursacht werden können, dass die Jugendämter entweder geeignete Sammelversicherungen abschließen oder ausreichenden Versicherungsschutz durch Vereinbarung nach der Besonderheit des Einzelfalls sicherstellen (Haftpflichtversicherung, Unfallversicherung).

8.3 Datenschutz

Die für Sozialrechtsverhältnisse maßgeblichen allgemeinen Datenschutzvorschriften § 35 SGB I sowie §§ 67 ff. SGB X gelten auch für die Jugendhilfe. Allerdings werden die Bestimmungen des SGB X durch die Regelungen der §§ 61 ff. SGB VIII modifiziert.

Es dürfen nur solche Daten erhoben (§ 62 Abs. 1 SGB VIII) und gespeichert (§ 63 Abs. 1 SGB VIII) werden, die zur Erfüllung der betreffenden Aufgaben erforderlich sind. Die Daten müssen beim Betroffenen erhoben werden, der über den Zweck der Erhebung und jeder Verwendung gemäß § 62 Abs. 2 SGB VIII aufzuklären ist.

Eine Datenerhebung ohne Mitwirkung des Betroffenen ist nur innerhalb der engen Grenzen des § 62 Abs. 3 SGB VIII zulässig.

Im Hinblick auf das Auskunftsrecht des Betroffenen nach § 67 SGB VIII und das Akteneinsichtsrecht der Verfahrensbeteiligten nach § 25 SGB X dürfen Sozialdaten nur in der offiziellen Hilfeakte gespeichert werden Eine dauerhafte Zweitaktenführung in Form sog. „Handakten“ ist unzulässig.

Übermittelt und in sonstiger Weise genutzt werden dürfen Sozialdaten grundsätzlich nur zu demselben Zweck, zu dem sie erhoben worden sind (§ 64 Abs. 1 SGB VIII). Eine Ausnahme ist gem. § 64 Abs. 2 SGB VIII nur dann zulässig, wenn der Erfolg der Leistung nicht in Frage gestellt wird.

Verpflichtet i.S.d. §§ 61 bis 68 SGB VIII sind alle Stellen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, soweit sie Aufgaben nach dem SGB VIII wahrnehmen.

Träger der freien Jugendhilfe sind zwar nicht direkt nach § 61 SGB VIII verpflichtet, vielmehr haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sicherzustellen, dass der Schutz der Sozialdaten in entsprechender Weise gewährleistet ist (§ 61 Abs. 4 SGB VIII), wenn Einrichtungen und Dienste freier Träger in Anspruch genommen werden. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist damit Garant dafür, dass der Datenschutz bein den freien Trägern beachtet wird. Faktisch erstreckt sich damit aber der Sozialdatenschutz für den Bereich der Jugendhilfe auch auf die Träger der freien Jugendhilfe, soweit sie auf dem Gebiet der Jugendhilfe tätig werden.

Eine direkte datenschutzrechtliche Verpflichtung ergibt sich für freie Träger aus den Bestimmungen des allgemeinen Datenschutzrechts (BDSG und Landesdatenschutzgesetze). Für kirchliche Träger kommen zusätzlich die Vorschriften des KiDSG bzw. der KDO zur Anwendung.

Darüber hinaus sind freie Träger als Empfänger von Sozialdaten nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGB X verpflichtet, diese nur zu dem Zweck zu verwenden, zu dem sie ihnen übermittelt worden sind. Sie haben die Daten in demselben Umfang geheimzuhalten wie Sozialleistungsträger.

Der öffentliche Träger hat als übermittelnde Stelle gegenüber dem freien Träger als Datenempfänger eine Hinweispflicht auf die Anforderungen des § 78 SGB X.

Immer wieder gibt es Situationen, in denen die Weitergabe von solchen Daten zwischen den beteiligten Trägern der Jugendhilfe zwar sinnvoll erscheint, aber durch die Regelungen des Datenschutzes erschwert werden.

Der Datenschutz zielt auf eine Verhinderung des Datenmissbrauchs ab und hat insofern unbestritten Vorrang. Wenn die Weitergabe der Daten zum Gelingen der Hilfeleistung erforderlich ist, eröffnet sich mit § 65 SGB VIII die Möglichkeit, die Erlaubnis des Kindes/Jugendlichen bzw. seines gesetzlichen Vertreters zur Nutzung oder Weitergabe dieser Daten einzuholen. Dies ist gesetzeskonform und respektiert zudem die Rolle des Kindes/Jugendlichen als eigenständige Persönlichkeit und als Mitwirkendem im Verfahren.

    Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge ist wegen seiner seit 1880 kontinuierlich betriebenen Koordinationsarbeit zwischen staatlichen und freien Trägern der Sozialarbeit/Sozialpädagogik die mit Abstand einflußreichste überregionale sozialpolitische Organisation der Republik. Man darf deshalb hoffen, daß die Jugendämter über seine Empfehlungen nicht achtlos hinweggehen. Insbesondere sind wir alle sehr gespannt, ob der Berliner Jugendsenator seine gegenwärtig geplanten Pflegevorschriften wenigstens partiell abändert.

(Gudrun und Kurt Eberhard, Mai 2004)

 

weitere Informationen: http://www.deutscher-verein.de/

 

 

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