FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2000

 

11 Thesen zur Bedeutung der Erkenntnistheorie in der Sozialarbeit/Sozialpädagogik

von Kurt Eberhard (Sept. 00)

 

  1. Die unterschiedlichsten Wissenschaften beanspruchen, die Praxis der SA/SP anzuleiten. Studenten und Praktiker müssen in die Lage versetzt werden, kritisch zu überprüfen, welche Theorieangebote glaubwürdig sind und welche nicht. Dazu brauchen sie solide Grundkenntnisse in der Wissenschafts- und Erkenntnistheorie.
     
  2. Sozialarbeiter und Sozialpädagogen sind nicht nur Anwender von Theorien, sondern viel häufiger müssen sie Menschen und Probleme verstehen, für die es noch gar keine bewährten Theorien gibt. Sie sind also mehr Sozialforscher als Sozialtechniker. Auch dafür brauchen sie wissenschafts- und erkenntnistheoretische Grundkenntnisse.
     
  3. In der Menschheitsgeschichte wurden sehr verschiedene Grundformen der Erkenntnissuche entwickelt, die noch heute in den Wissenschaften konkurrieren. Sie lassen sich in folgende Erkenntniswege aufgliedern: mystisch-magischer, deduktiv-dogmatischer, induktiv-empiristischer, deduktiv-theoriekritischer, dialektisch-materialistischer Erkenntnisweg und Erkenntnisweg der Aktionsforschung.
     
  4. Die Soziogenese der Erkenntniswege wird in der Psychogenese rekapituliert, ist also zugleich ein Beitrag zur Sozialisationstheorie (vgl. bes. die Entwicklungspsychologie Piagets)
     
  5. Der einzige Erkenntnisweg, der in der SA/SP entwickelt wurde und dort seine größte Bedeutung hat, ist der Erkenntnisweg der Aktionsforschung, auf dem die Trennung von Theorie und Praxis aufgehoben wird und die gemeinsam Forschenden und Handelnden in kommunikationsoptimierenden Diskursen die drei zentralen Fragestellungen der SA/SP bearbeiten: die phänomenale Frage, die kausale Frage und die aktionale Frage.
     
  6. Jeder Erkenntnisweg hat seine spezifischen Qualitätskriterien, deren Einhaltung über die Glaubwürdigkeit der auf ihm gefundenen Erkenntnisse entscheidet.
     
  7. Allen Erkenntniswegen gemeinsam ist die hermeneutische Komponente, d.h. die Kunst und Lehre des Deutens und Verstehens, die in der SA/SP die mit Abstand häufigste Erkenntnisform darstellt.
     
  8. Weder die naive Hermeneutik der sozialen Praxis noch die akademische Hermeneutik der Geisteswissenschaften kann den Geltungsansprüchen gerecht werden, die die Klienten und die Gesellschaft auf die SA/SP richten. Das ist eine wesentliche Ursache für deren chronische Glaubwürdigkeitskrise.
     
  9. Eine geltungsorientierte Hermeneutik ist die abduktionslogisch begründete Semiotik. Sie liefert methodologische Regeln, deren Beachtung die Irrtumswahrscheinlichkeit psychosozialer Diagnosen zuverlässig senkt.
     
  10. Wie in der Medizin ist eine korrekte psychosoziale Diagnose nicht nur eine notwendige Voraussetzung angemessener praktischer Maßnahmen, sondern bereits selbst ein wichtiger Teil sozialer Praxis, weil ein Klient, der adäquat verstanden wird und dessen Selbstverständnis sich dementsprechend entfaltet, mehr Möglichkeiten hat, sich selbst zu helfen (Hilfe zur Selbsthilfe).
     
  11. Sozialarbeiter und Sozialpädagogen,
    denen über die Erkenntnistheorie eine integrierende Zusammenschau der vielen sie bedienenden Disziplinen ermöglicht wird,
    die die an sie gerichteten theoretischen Angebote kritisch überprüfen können,
    die ihre Erkundungen und Handlungen im eigenen Praxisfeld als wissenschaftliche Forschung i.S. der Aktionsforschung begreifen,
    die durch Nutzung der abduktionslogisch begründeten hermeneutischen Methodologie ihre Glaubwürdigkeit nach innen und außen steigern,
    gewinnen ein selbstbewußtes, auf Wahrhaftigkeit und soziale Wirksamkeit gerichtetes, d.h. besten abendländischen Traditionen folgendes berufliches Selbstverständnis!

(s. Einführung in die Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, 1999)

 

 

 

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